Kann das denn wahr sein? Komme eben nach Hause, wo mich der Anrufbeantworter blinkend erwartet. Unter Tränen – dieser Umstand alleine hat mich schon das Schlimmste befürchten lassen - fragt mich Birgit, meine Schwägerin, ob ich wüsste, wer gestorben sei. Ich vermutetet zunächst meinen Opa, dem es in letzter Zeit auch zunehmend schlechter geht, während ich meine Fassung zu wahren suche. Sie antwortet dann aber recht unmittelbar, dass es Jasmin sei. Jasmin, meine beste und über Jahre lange gehegte Freundin aus den Kindertagen, die bei meinen Eltern wie eine eigene Tochter ein und aus ging. Jasmin, die – wie ich – zum Studieren nach Würzburg zog, wo wir uns dann leider aus den Augen verloren, weil sie zunächst nach München, später nach Italien zog. Jasmin, deren Eltern – wie mein Vater – auch Italiener ist/sind.
Verdammt! Sie war zwei Jahre jünger als ich! Die Beerdigung ist am Freitag. Und sie ist sogar hier in Würzburg im Krankenhaus gestorben – an Hautkrebs. Ist Sterben gerade chic?
Der Impuls des Entsetzens war gesetzt, mit einem Mal liefen mir etliche Szenen von einst vor Augen. Ich weiß noch, wie wir zur Dämmerstunde auf dem Spielplatz saßen und Johnny, unserer amerikanischer Kumpel, uns beiden erklärte, was eine „Nutte“ ist, wobei Jasmin sich die Ohren zuhielt und sagte, dass sie das nicht wissen wolle. Auch der über Jahre gemeinsame morgendliche Gang zur Schule, ... unsere stundenlangen Telefonzellenaufenthalte, damals, als man in die 50-Pfennig-Schlitze noch zwei Pfennig-Stücke einwerfen konnte, bei denen sie sich, weil ich mich nicht zu reden getraute, mit meinem damaligen Freund unterhielt (ich ihr immer zuflüsterte, was sie ihm sagen solle), unsere Puffreis-Weberli-Tausch-Aktionen (ihre Eltern kauften regelmäßig Weberli, meine Puffreis, was uns aber nur umgekehrt mundete), ganz zu schweigen von unseren sommerlichen Besuchen auf der Kirschwiese, wo wir uns einerseits die Bäuche mästeten und andererseits noch Tüten voller Kirschen für unsere Eltern mit nach Hause brachten. Ebenso die Aufenthalte auf der Apfelwiese, auf welcher wir einen Phantasiebaum hatten, auf dem wir uns unsere Träume erzählten. Ich erinnere mich auch an die Szene des Abends, als ihr kleiner Hund „Buba“ von einem Auto überfahren wurde, den ihre Mutter so abgöttisch liebte, ... wir fassungslos auf dem warmen Bordstein dieser Straße saßen, während die Nacht schon längst ihre Schatten über uns geworfen hatte. Oder als mein Vater uns erlaubte, bei uns im Garten zu zelten und zu sehr viel späterer Stunde die Nachbarjungs heimlich rüber kamen. Auch an mein erstes Silvester, das ich nicht zu Hause verbrachte, Jasmin sich einen roten Schlüpfer mitnahm, weil sie gehört hatte, dass wenn man jenen in der Neujahrsstunde anziehen würde, das Glück brächte. Ich weiß auch noch, wie ich mit ihr und ihren Eltern zu Insel Mainau gefahren bin, wir beide uns Taucherflossen eingepackt haben, weil wir dachten, wir könnten dort schwimmen, wobei wir alternativ dann aber zumindest frische Zitronen von den Bäumen klauten. Und jetzt ist sie tot. Einfach tot.
Einmal mehr ärgere ich mich über mich selbst. Jasmin lebte schon seit längerer Zeit wieder bei ihren Eltern, die in der Reihenhäuserreihe gerade mal drei Häuser weiter als meine Eltern wohnen. Meine Mutter erzählte mir schon sehr lange, dass es Jasmin, die sehr gebrechlich aussähe, nicht gut gehe, die Eltern aber nicht darüber sprächen. Jasmin selbst hätte immer einen sehr großen Hut auf, den sie sich sehr tief ins Gesicht zöge. Die Spekulationen und Mutmaßungen der Leute, die sie kannten, aber nichts Näheres wussten, will ich hier nicht weiter ausführen, weil sie absurd sind. Ich selbst habe sie seit Jahren nicht mehr gesehen, schenkte dieses Hypothesen aber keinerlei Glauben. Wie oft hatte ich mir vorgenommen, einfach mal bei ihren Eltern (und damit ja bei ihr) anzurufen, um mal nachzufragen, wie es ihr gehe. Nicht um meine Neugierde zu befriedigen, sondern weil es mich wirklich interessierte. Und dann überkam mich doch immer wieder nur die Angst, dass sie vielleicht denken könnte, ich sei nur neugierig. Ich wollte sie ja auch in keine unangenehme Situation bringen. Und jetzt ist alles dahin. Jetzt ist es zu spät. Hätte ja auch sein können, dass sie sich gefreut hätte. Ein Sehen hätte ich ihr gar nicht aufdrängen wollen, denn das schien ihr, soweit ich das mitbekam, doch unangenehm. Und jetzt ist sie einfach weg.
Das ist dann inzwischen schon die vierte mir emotional nah stehende Person, die auf dem Friedhof, auf dem meine geliebte Oma ruht, ihre letzte Ruhestätte findet.
Verdammt! Sie war zwei Jahre jünger als ich! Die Beerdigung ist am Freitag. Und sie ist sogar hier in Würzburg im Krankenhaus gestorben – an Hautkrebs. Ist Sterben gerade chic?
Der Impuls des Entsetzens war gesetzt, mit einem Mal liefen mir etliche Szenen von einst vor Augen. Ich weiß noch, wie wir zur Dämmerstunde auf dem Spielplatz saßen und Johnny, unserer amerikanischer Kumpel, uns beiden erklärte, was eine „Nutte“ ist, wobei Jasmin sich die Ohren zuhielt und sagte, dass sie das nicht wissen wolle. Auch der über Jahre gemeinsame morgendliche Gang zur Schule, ... unsere stundenlangen Telefonzellenaufenthalte, damals, als man in die 50-Pfennig-Schlitze noch zwei Pfennig-Stücke einwerfen konnte, bei denen sie sich, weil ich mich nicht zu reden getraute, mit meinem damaligen Freund unterhielt (ich ihr immer zuflüsterte, was sie ihm sagen solle), unsere Puffreis-Weberli-Tausch-Aktionen (ihre Eltern kauften regelmäßig Weberli, meine Puffreis, was uns aber nur umgekehrt mundete), ganz zu schweigen von unseren sommerlichen Besuchen auf der Kirschwiese, wo wir uns einerseits die Bäuche mästeten und andererseits noch Tüten voller Kirschen für unsere Eltern mit nach Hause brachten. Ebenso die Aufenthalte auf der Apfelwiese, auf welcher wir einen Phantasiebaum hatten, auf dem wir uns unsere Träume erzählten. Ich erinnere mich auch an die Szene des Abends, als ihr kleiner Hund „Buba“ von einem Auto überfahren wurde, den ihre Mutter so abgöttisch liebte, ... wir fassungslos auf dem warmen Bordstein dieser Straße saßen, während die Nacht schon längst ihre Schatten über uns geworfen hatte. Oder als mein Vater uns erlaubte, bei uns im Garten zu zelten und zu sehr viel späterer Stunde die Nachbarjungs heimlich rüber kamen. Auch an mein erstes Silvester, das ich nicht zu Hause verbrachte, Jasmin sich einen roten Schlüpfer mitnahm, weil sie gehört hatte, dass wenn man jenen in der Neujahrsstunde anziehen würde, das Glück brächte. Ich weiß auch noch, wie ich mit ihr und ihren Eltern zu Insel Mainau gefahren bin, wir beide uns Taucherflossen eingepackt haben, weil wir dachten, wir könnten dort schwimmen, wobei wir alternativ dann aber zumindest frische Zitronen von den Bäumen klauten. Und jetzt ist sie tot. Einfach tot.
Einmal mehr ärgere ich mich über mich selbst. Jasmin lebte schon seit längerer Zeit wieder bei ihren Eltern, die in der Reihenhäuserreihe gerade mal drei Häuser weiter als meine Eltern wohnen. Meine Mutter erzählte mir schon sehr lange, dass es Jasmin, die sehr gebrechlich aussähe, nicht gut gehe, die Eltern aber nicht darüber sprächen. Jasmin selbst hätte immer einen sehr großen Hut auf, den sie sich sehr tief ins Gesicht zöge. Die Spekulationen und Mutmaßungen der Leute, die sie kannten, aber nichts Näheres wussten, will ich hier nicht weiter ausführen, weil sie absurd sind. Ich selbst habe sie seit Jahren nicht mehr gesehen, schenkte dieses Hypothesen aber keinerlei Glauben. Wie oft hatte ich mir vorgenommen, einfach mal bei ihren Eltern (und damit ja bei ihr) anzurufen, um mal nachzufragen, wie es ihr gehe. Nicht um meine Neugierde zu befriedigen, sondern weil es mich wirklich interessierte. Und dann überkam mich doch immer wieder nur die Angst, dass sie vielleicht denken könnte, ich sei nur neugierig. Ich wollte sie ja auch in keine unangenehme Situation bringen. Und jetzt ist alles dahin. Jetzt ist es zu spät. Hätte ja auch sein können, dass sie sich gefreut hätte. Ein Sehen hätte ich ihr gar nicht aufdrängen wollen, denn das schien ihr, soweit ich das mitbekam, doch unangenehm. Und jetzt ist sie einfach weg.
Das ist dann inzwischen schon die vierte mir emotional nah stehende Person, die auf dem Friedhof, auf dem meine geliebte Oma ruht, ihre letzte Ruhestätte findet.
pattyv - am Dienstag, 28. März 2006, 21:44 - Rubrik: einsam & verlassen