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Kaum zu glauben

Rizzi: A cruise to remember

Was für ein Geschenk! Ein echter Rizzi. Ich bin begeistert.

Am Montag habe ich sie – halb bangend, halb voller Vorfreude - schließlich eingetütet und in den großen gelben Kasten geworfen, um die Gunst des Zufalls nicht sich selbst zu überlassen. Vermutlich klingt es völlig irre, doch schon seit gestern warte ich auf ein Feedback, sei es telefonisch oder per E-Mail. Als ob die Verantwortlichen einzig und alleine auf meine Bewerbung warten würden und nichts anderes zu tun haben, als mich nach dem Durchforsten meines ausgefüllten Fragebogens zu kontaktieren.

Und doch: ich erwische mich genau bei diesem Gedanken. Bewerbung Montag abgeschickt, vermutlich Dienstag angekommen und gegebenenfalls sogar schon gelesen, womit man mir gestern auch tatsächlich schon Bescheid hätte sagen können, wenn man denn interessiert wäre. Um mir selbst Mut zuzusprechen und nicht gleich in Schornsteinfegerfarben zu denken, habe ich mich gezwungen, an die Option zu glauben, dass sie das Postfach, an das ich mein Begehr sandte, vielleicht nicht täglich leeren und meine Bewerbung deshalb möglicherweise auch noch nicht auf dem entsprechenden Schreibtisch gelandet ist. Nun, inzwischen hat auch der Mittwoch sein Ende genommen, wodurch mein Hoffen allmählich schwindet. Aber noch schaffe ich es, mich einigermaßen emotional über Wasser zu halten. Mal schauen, wie lange ich noch schwimmen kann, bevor ich (psychisch) untergehe.

Im Moment sitze ich an einer Bewerbung der ganz anderen Art: einem kleinen 15 Seiten Paket, das mir viel Zeit abverlangt. Fragen über Fragen. Eckdaten. Persönliches. Berufliches. Finanzielles. Gesundheitliches. Intimes. Rechtliches. Fragen zur Selbsteinschätzung. Fragen zur Motivation. Fragen zur Familie und Freunden. Fragen, die ich mit einem Zögern und Angst, aber doch auch einem gewissen Stückchen Hoffnung beantworte, wobei ich noch nicht mal sagen kann, ob ich nicht einen Rückzieher machen würde, wenn ich eine der Auserwählten zu einem irrsinnigen Projekt sein sollte. Es ist absurd daran zu glauben, aber nicht grundsätzlich abwegig, wenngleich ich auch hier keine Chance habe.

Eigentlich ist es Wahnsinn, aber wenn es das ist, passt es irgendwie zu mir. Dann bin ich mal kurz lang weg, tauche ab in dem, was ich hier so häufig vermisse. Dort könnten Sehnsüchte wahr werden.

Dass ich das tatsächlich mal mache, hätte ich auch nie gedacht.

Wenn ich nicht so sehr an mir selbst zweifeln würde, wäre ich vermutlich nur geschmeichelt, so fällt es mir schwer zu glauben, was sich eben auf dem Nachauseweg von der Arbeit, auf dem ich einen kurzen Einkaufszwischenstopp eingelegt habe, ereignet hat.

Ich war, wie eben erläutert, tatsächlich nur ganz kurz in einem Geschäft, vor dem sich ein dazugehöriger Parkplatz befand. Als ich aus dem Laden wieder herauskam und die Fahrertür öffnen wollte, sah ich einen kleinen zusammengefalteten Zettel an der Türklinke hängen. Im allerersten Moment dachte ich, dass sich vielleicht jemand darüber erbost, dass ich einen falschen Parkplatz benutzt habe, doch nachdem ich das mit leichtem Schrecken verneinen konnte, kam mir gleichermaßen kurzfristig in den Sinn, dass möglicherweise jemand das Auto angefahren hat, wobei ich hierzu sagen muss, dass das jüngst zweimal geschah, doch um das zu überprüfen, musste ich natürlich den Zettel erst lesen, der stattdessen die zweite Annahme bekomplimentierend verwarf.

So ganz glauben kann ich es ja noch immer nicht, aber wer sollte sich auf diese völlig unvorhergesehene Situation einen Scherz erlauben?

Was auf dem Zettel stand?

Hallo schöne Unbekannte!

Habe dich zwar nur kurz gesehen, mich aber sofort in dich verguckt!
Ich: 38 Jahre, 195 cm, 82 kg, schwarze Haare, braune Augen, würde
Dich gerne kennenlernen, wenn Du auch Single bist?

Meine Telefonnummer lautet: xxx

Ganz lieber Gruß
Oliver


Tja, was soll ich nun davon halten? Natürlich fühle ich mich einerseits gebauchpinselt, anderseits habe ich eben noch mal in der Montur des heutigen Tages in den Spiegel gesehen und kann absolut nicht glauben, dass das jemand ernst meint. Sein so genanntes „vergucken“ ohnehin nicht. Was veranlasst nur jemand, ausgerechnet MIR so etwas zu schreiben? MEIN Blick in den Spiegel rechtfertigt das nicht. Vielleicht hat er mich wirklich nur gaaaaaanz von der Ferne gesehen, (m)eine Silhouette sozusagen und damit möglicherweise eine idealisierte Umrisslinie meines Profils? Ich habe echt keine Ahnung, kann aber nur wiederholen, dass ich das für mich im höchsten Maße anzweifle, wenngleich ich Oliver keinen Lügner nennen möchte.

Vor über 20 Jahren, als mein Gesicht noch frei von Falten war und mir die Jugend ins Gesicht geschrieben stand, hatte ich ein ähnliches Erlebnis, als ich mit meiner Oma einkaufen war. Als wir an der Kasse bezahlten, hat mir ein Kunde gleichermaßen einen Zettel in die Hand gegeben, wobei das damals ein Einkaufszettel war, dessen Rückseite er beschrieben hatte. Auch er wollte mich kennenlernen. Soweit ich mich entsinne, habe ich mich einmal real mit ihm getroffen. Im Anschluss hielten wir noch über Jahre Briefkontakt, der dann – ich kenne die näheren Gründe dafür gar nicht – aber irgendwie versandete.

Ob es an den hochsommerlichen Temperaturen des heutigen Tages - mit 36,4 Grad ist heute in Bendorf (Rheinland-Pfalz) die Rekordtemperatur des Sommers 2008 gemessen worden - lag, dass mich ein fremder Mann küssen wollte, vermag ich nicht zu sagen. Hitzig war das Unterfangen jedoch alle Mal.

Doch wie kam es dazu?

Heute Mittag war für Würzburgs größtes Volksfest (Kiliani), das am Freitag beginnt, eine Pressekonferenz (PK) angesetzt. Wie viele andere Medienvertreter war auch ich dort zugegen. Klar, dass man im Laufe seines Daseins als Redakteur bei den verschiedenen PKs immer wieder mal die gleichen Gesichter sieht, sie deshalb aber nicht zwingend zu ihrem Medium zuordnen kann bzw. deren Namen kennt. So erging es mir auch mit M., den ich bis dato einige wenige Male gesehen, aber noch niemals zuvor gesprochen habe, dessen Namen ich auch erst heute erfuhr, als, weil sich personell zukünftig etwas von den Verantwortlichen her ändern wird, plötzlich alle ihre Visitenkarten zückten. Im Zuge dessen, M. saß neben mir, erhielt ich auch eine von ihm. Mir nichts weiter Tragisches dabei denkend, fragte ich ihn, ob er auch eine der meinigen haben wolle, was er bejahte. „Möchtest Du eine Erheiternde oder eine ´Echte´?“ Er entschied sich für beide, sprich die Profikiller & Bauchredner-Visitenkarte, auf der all meine persönlichen Daten stehen und die, die ich vom Verlag habe.

Mangels Zeit verkürze ich an dieser Stelle. Als die PK vorbei war, hatten M und ich den gleichen Weg zum Auto und kamen so noch zum Gespräch, das sich am Parkplatz angekommen noch etwas ausdehnte. Schließlich mahnte ich zum Aufbruch, wobei das, was dann kam, sich so schnell und überraschend ereignete, dass ich - meiner Perplextheit wegen - gar nicht angemessen darauf reagieren konnte. Unvermutet lag mit einem Mal sein Arm um meine Schultern und seine Lippen berührten fast die meinigen, wobei ich mich kurzerhand noch wegdrehen konnte, so dass er nur den äußersten Mundwinkel und meine Wange traf.

Ich war wirklich baff! Was war das? Da mein Vater Italiener ist, kenne ich das Küssen auf die Wangen zum Abschied und zur Begrüßung noch aus Kindertagen, aber das? Da ich ihn nicht kenne, konnte ich das auch nicht einordnen und vorschnell verurteilen wollte ich auch nicht. Seltsam war es aber trotzdem, zumal ich ihm im Vorfeld mitgeteilt habe, dass ich einen Freund habe.

Keine Stunde später ging von ihm die erste Mail im Verlag ein.

Liebenswerte Patty,

es war eine sehr unerwartete Begegnung vorhin - ich sitze etwas
retardiert an meinem schreibtisch... :-[

Und zwar eine unerwartet schöne - du bist so liebenswert, sympathisch und
positiv - einfach zum fressen...

Wie viel Arbeit hast Du?

Bis 19 oder bis 20 Uhr???

Lass uns den Abend zusammen verbringen - versprich mir das!!!!!
Ich werde mich sogar extra gut benehmen - und das will was heißen!!

OK????

Stell Dir vor, ich wäre ein Westernheld - ich würde einen weißen Hut
tragen - den tragen nur die
guten!!!!!!!!!!! Ju no wodd ei mien ???????????? ;-)

M aus W.


Klar, dass ich den Abend nicht mit ihm verbracht habe. Es folgten noch zwei weitere, wobei ich auf eine antwortete und ihm unter anderem schrieb: „Wie Du weißt bin ich liiert und Treue ist für mich ein hohes Gebot, das mir wertvoll ist.“

Auf seine folgenden Zeilen, in denen unter anderem „Treue wird nicht belohnt und existiert auch gar nicht - es ist eine Erfindung von irgendwelchen Kirchen- und Politikleuten - immer mit dem Ziel, Macht auszuüben. Glaub mir - ich würde nichts tun, was du nicht willst. Ich bin mir sicher, dass du nur vor dir selbst Schiss hast, das ist der ganze Grund - das habe ich oft genug so erlebt“ stand, habe ich nicht mehr geantwortet.

Es ist wirklich erstaunlich, dass Menschen meinen, einen anderen schon nach so kurzer Zeit beurteilen und erfassen zu können.

Wäre es nicht mein Leben, würde ich es einem anderen möglicherweise nicht glauben. Um 14 Uhr hatte ich eigentlich einen Fototermin. Eigentlich insofern, als dass mir ein Freund zu diesem kleinen Nebenjob verhalf. Ich sollte für einen schnellen 100ter von einer Traditionsgaststätte Bilder machen, die er für deren Webauftritt benötigt. Kamera und Stativ im Gepäck fand ich mich auch pünktlich - wer mich kennt, weiß, was das heißt! - am vereinbarten Ort ein, um dort dann aber lediglich ein sehr langes und für mich auch ernüchterndes Gespräch zu führen.
Ernüchternd deshalb, weil mir der Wirt von seinen sicherlich legitimen Ambitionen und Bestrebungen erzählt hat, was diese Fotos alles ausdrücken sollen: unter anderem Schnittstelle zwischen Historie und verjüngter Gegenwart. Ich erfuhr auch davon, dass ich an zwei verschiedenen Tagen kommen sollte, um die verschiedenen Räumlichkeiten einmal ohne und einmal mit Gästen fotografieren, darüber hinaus auch Bilder während des Hochbetriebs in der Küche anfertigen sollte.

Was mich letztendlich komplett von diesem Job abhielt, war die Äußerung des jungen, ambitionierten Gastronomen, der seit einem halben Jahr in den einstigen Fußstapfen seines Vaters steht, dass bereits ein echtes Profifotografen-Team da gewesen sei, dass sich drei komplette Tage in dem großen Areal (400 Sitzplätze ohne Außengastronomie) aufgehalten hat, selbiges zwar über Stunden alles ausgeleuchtet habe (die einzelnen Räumlichkeiten sind wirklich sehr dunkel), ihm die Bilder aber trotz all dieser Mühe überhaupt nicht zusagen. Den einen Raum hätte überhaupt noch niemals jemand so fotografieren können, dass er ihm gefiele.

Was soll ich als Laie mit meiner, Achtung schlimmes Wort, Popelkamera, denn dazu sagen? Ich habe weder eine Fotografenausbildung, noch kenne ich mich sonderlich gut aus und habe auch kein Equipment, um all diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Ich fotografiere einfach nur gerne.

Trotz alledem kam ich mir nach diesem Treffen wie ein Versager vor, zumal oben genannter Freund, der diesem Gespräch beiwohnte, sagte dass das doch alles gar nicht so schlimm sei, der Wirt, den er auch privat kennt, nur reden würde und selbst doch gar keine Ahnung vom Fotografieren hätte. Außerdem hätte er schon soooo viele Fotos von mir gesehen und die seien alle schön.

Nein, das war nichts für mich. Ich wollte mich nicht einreihen in die Linie derer, die nicht fotografieren können. Und dann aus Mitleid, sprich für den Versuch, pässliche Bilder zu machen, bezahlt werden, wollte ich auch nicht. Ich hätte dem Druck, den ich mir selbst gemacht hätte, gar nicht standgehalten.

Wie auch immer: der Job ist gestorben.

Als ich mich wieder auf den Nachhauseweg machte, sah ich am Straßenrand ein Kind schwere Tüten schleppen. Ich schätzte das Handy telefonierende Mädchen vielleicht auf maximal 16 Jahre. Ich hielt an und fragte, ob ich sie ein Stückchen mitnehmen könne, was sie bejahte. Auf meine Frage, wohin sie denn müsse, erwiderte sie „ins Bordell“, was mich dann aufgrund ihres blutjungen Aussehens doch ein wenig entsetzte. Was mich dann aber noch mehr schockte, war die Tatsache, dass sie mit ihrer Mutter sprach, sprich diese wusste, wohin ich ihre Tochter, die gestern Abend erst aus Kempten in Würzburg ankam und heute ihren ersten Tag in Würzburg hat, fuhr. Wahnsinn!

Ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten, in denen ich in meinen Hochphasen vielleicht acht Stunden am Tag verbracht habe, was allerdings schon acht Jahre her ist, ist mein Zugang zu einer Dating Community, wie sie sich inzwischen - nach zweimaligem Relaunch -schicklich nennt. Damals suchte ich dort nach nichts außer Zerstreuung, weil ich zu dem damaligen Zeitpunkt sehr unglücklich verliebt war. Ich wollte einfach nur abgelenkt werden und war um jeden Menschen froh, der mir schrieb, wobei ich noch wie heute weiß, dass der allererste Mensch, der mir jemals aus den Weiten des Netzes geantwortet hat, der Pan war, mit dem ich mich drei Jahre später auch zum ersten Mal persönlich traf, aber das ist eine ganz andere Geschichte.

Heute habe ich mich des Spaßes wegen mal wieder dort eingeloggt, was ich zum Erhalt mit den einst entstandenen Bekannten, die dort zum Teil auch noch zugegen sind, tue, und fand dort folgende Mail vor:

„hallo du, du scheinst schön zu sein. hätte gern eine affaire mit dir. Lg“

Ehrlich gesagt wusste ich nicht, ob ich darüber lachen oder weinen sollte. Wie kann das jemand ernst nehmen? Gibt es auf diesem Planeten tatsächlich einen Mann, der auch nur annäherungsweise glaubt, damit bei mir (oder eine Frau im Allgemeinen?) punkten zu können, auch wenn ich „schön zu sein scheine“? Da ich die Mail während eines Telefonats mit dem Pan las, sagte ich ihm, dass es das jetzt für ihn und unsere Beziehung gewesen sei, weil ich mich so einem verlockend-verführerischen Angebot natürlich nicht entziehen könne.

Wenn ich fies wäre, könnte ich jetzt hier darüber berichten, welch Quasimodo-Schönling mir diese Mail sandte, aber das unterlasse ich an dieser Stelle lieber.

Nein, ich will diese Community nicht schlecht machen, schließlich habe ich dort auch ein paar auserlesene und wichtige Menschen kennengelernt, aber bei einer solch betörenden Formulierung, die dem Motto „warum Anstand, Moral und Sitte wahren, wenn ich auch sofort mit der Tür ins Haus fallen kann?“ folgt, setzt mein Verstand einfach aus.

Ich liebe meinen neuen Earl D, der mich heute Morgen mit einem sagenhaften Fitnesswert von F1 auf seiner bis F6 reichenden Skala erfreute, wobei F1 – und da zitiere ich aus der Gebrauchsanweisung – der bestmögliche Wert ist.

Bei diesem Messwert wird die Herz-Kreislauf-Leistungsfähigkeit anhand des Abnehmens der Herzfrequenz am Ende eines Trainings bewertet, soll heißen: wie schnell sackt mein Puls innerhalb einer Minute nach dem Training wieder auf ein verträgliches Level, was bei mir wohl recht schnell gehen muss, denn sonst hätte ich die vortreffliche F1 nicht angezeigt bekommen, wobei ich das natürlich weiter beobachten werde. Könnte ja auch sein, dass das heute nur ein sportlicher Glückstreffer war.

Wait up and see …

Jetzt war’s doch wesentlich schlimmer, als ich vermutet hätte: Wurzelbehandlung! Und das nicht an dem Zahn, an dem ich mir einbildete, Schmerzen zu haben, sondern an dem benachbarten. Im Moment laufe ich mit einem mit Medikamenten gefüllten Provisorium herum, das mir in zehn Tagen wieder entfernt wird, dann, wenn auch der Zahn, wegen dessen ich heute eigentlich zum Zahnarzt, das heißt zu einer Zahnärztin, bin, behandelt wird.

Da meine „Haus-Zahnärztin“ weder heute noch morgen Zeit hat, habe ich mir erlaubt, eine andere zu konsultieren, was sich wirklich als mühselig erwiesen hat, da viele keine Zeit hatten und andere nicht als Lückenbüßer fungieren wollten (leider auch nicht deine Ralf). Schließlich, beim letzten Versuch, den ich mir selbst zugestand, hatte ich doch Glück:„es hat gerade jemand den Termin in einer halben Stunde abgesagt, schaffen Sie das?“, meinte die Sprechstundenhilfe. „Klar“, antwortete ich hoffnungsfroh, dass meinem Leiden heute noch ein Ende gesetzt wird.

Was dann kam, war leider so ganz anders als erwartet. Zum ersten Mal in meinem Leben wurden meine Zähne geröntgt – und genau dabei kam das schattierte Übel des Nachbarzahns zum sichtbaren Vorschein. Als ich „Wurzelbehandlung“ und dass man mir den Nerv ziehen müsse hörte, hatte ich einmal mehr das Gefühl, dass heute mein letztes Stündlein geschlagen hatte. „Das überlebe ich nicht“, sagte ich der Zahnärztin mit weit aufgerissenen Augen. „Sie müssen dann bestimmt bohren, lange und tief dazu; das schaffe ich nicht“. Mir standen die Tränen in den Augen. Ich wollte doch nur schnell zum Zahnarzt, alte Füllung runter, Zahn säubern, neue Füllung drauf.

Weit gefehlt! Total weit gefehlt!

Die Zahnärztin war echt superlieb, gab mir drei Spritzen, die letzte sogar direkt in den Nerv hinein, während meine anderen Empfindungsstränge nicht minder blank lagen. Zwischendurch streichelte mir die Zahnärztin die Wange und meinte aufgrund meines hektischen Atmens, dass ich nicht hyperventilieren solle.

Nein, ich will mich gar nicht mehr an die Situation, die ich unendlich laaaaange, von den physischen Gegebenheiten grob und schrecklich fand, erinnern. Es klingt wahrscheinlich seltsam und extrem schwächlich, aber die unvorhergesehene Tortour (10.20 Uhr war ich beim Zahnarzt, kurz vor 12 Uhr war ich fertig) hat mich total mitgenommen. Fühle mich wie durch den Fleischwolf gedreht, zumal allmählich das pochende Gefühl in der Wange wiederkehrt.

Wenn ich Pech habe - die Bandbreite sei sehr weit - könne ich die nächsten beiden Tage noch richtig Schmerzen haben. Es könne aber auch sein, dass ich gar nichts spüre. Schauen wir mal, wie hold mir die Zahnfeen sind.

Schock schwere Not! Eben habe ich erfahren, dass sich meine Eltern trennen. Wie lange sie genau schon verheiratet sind, weiß ich gar nicht, aber gewiss schon über 41 Jahre, denn damals kam mein Bruder, das älteste von uns drei Kindern, zur Welt.

Früher, als wir, die Kinder, noch zuhause wohnten, sagte mein Vater wortwörtlich, dass er meine Mutter, wenn sie sich einmal von ihm trennen wird, umbringen wird, was er damals – und dafür würde ich beide Hände ins Feuer legen – auch gemacht hätte. Wie das heute ist, kann ich überhaupt nicht sagen. Meine Mutter meinte, dass es für beide unerträglich sei. Sie klang relativ gefasst, als sie das sagte. Im Moment weiß ich gar nicht, was ich denken oder fühlen soll. Klar hat er sie eingeengt – sie durfte nicht rauchen (inzwischen raucht sie zwar freiwillig nicht mehr, weil ihr 2003 der Krebs im Unterleib einen Schlag vor den Bug gegeben hat, aber wenn sie es einst tatsächlich mal getan hat, was vielleicht zwei oder drei Mal in der Woche vorkam, hat er ihr, wenn er sie erwischt hat, die brennende Zigarette am Körper ausgedrückt oder sie gegen die Heizung geworfen oder ihr das schmutzige Autowaschwasser über den Kopf geschüttet und dgl. mehr), nicht mal ein Handy haben, was sie heimlich aber doch hat, nicht mit anderen ausgehen, obwohl sie das wahrscheinlich, weil sie sowieso keine Freunde hat, ehe nicht täte, außer vielleicht mal zur Weihnachtsfeier mit den Arbeitskollegen, aber schon das war meinem Vater nicht Recht, womit er jetzt bei denen, die diesen Text lesen, bestimmt in einem SEHR schlechten Licht steht, obwohl das gar nicht meine Intention ist.

All meine eben gemachten Ausführungen beziehen sich auf meine familiäre Vergangenheit, deren Erfahrungswerte – bis auf die Geschichte mit dem Handy - über 20 Jahre zurückliegen. Wie die beiden das in den letzten Jahren/Jahrzehnten miteinander aushielten, entzieht sich meinem Kenntnisstand, wobei ich aber dachte oder zumindest glauben wollte, dass es vielleicht besser geworden wäre, auch weil wir Kinder als Stressfaktor nicht mehr zuhause wohnen und sich dadurch Vieles entspannt haben könnte.

Warum es ausgerechnet jetzt zum Ausbruch kam?

Bis zum Sommer hat mein Vater noch gearbeitet, war, weil er eine eigene Pizzeria hatte, fast kaum, bis auf Dienstag, dem Ruhetag, zuhause, so dass das Miteinander doch recht kärglich verlief. Inzwischen hat er den Rentner-Status inne, ist quasi immer zuhause, womit persönliche „Kollisionen“ kaum mehr ausbleiben.

Irgendwie dachte ich, dass das, obwohl es statistisch betrachtet, ja nichts Außergewöhnliches ist, immer nur andere Eltern praktizieren, aber die meinigen? Seit dem Tod meiner Oma 2005 ist sowieso sehr vieles zerrüttet, was an Familienbande noch da war; dieses Jahr hat sich meine Schwester erneut – wie schon vor einigen Jahren, wobei meine Oma das damals wieder kittete – mit meiner Mutter, die ganz gewiss alles andere als leicht ist, überworfen. Meine beiden Geschwister, die sich noch bis im Sommer ein gemeinsames Haus teilten, ebenfalls. Meine Schwester zog aus und kaufte sich ein eigenes Haus.

Worüber ich mir jetzt Sorgen mache, ist folgendes: Ich bin mir sicher, SEHR sicher, dass meine Mutter, über die ich definitiv nicht schimpfen möchte, mit ihrer wirklich äußerst seltsamen Art, niemals mehr einen Mann an ihrer Seite finden wird. Kurzfristig vielleicht schon, aber nicht dauerhaft, denn das ist, die Gründe hierfür möchte ich nicht näher erläutern, tatsächlich unerträglich. Insofern wird sie, abgesehen von dem verbliebenen familiären Bund, einen einsamen Tod sterben. Und ihr fällt ja schon jetzt oft die Decke auf den Kopf. Bis zum März kommenden Jahres wird sie noch arbeiten, dann geht sie selbst in Rente. Ab diesem Zeitpunkt wird sich alles, selbst wenn meine Eltern wider Erwarten doch noch zusammenbleiben sollten, verschlimmern. Meine Mutter hat dann nämlich gar keine Abwechslung und Ansprache mehr. Es ist sogar so, dass sie nach, eigentlich auch schon während ihres Urlaubs, froh war, endlich wieder arbeiten zu können, weil ihr das harmonische Arbeitsklima vor Ort sehr gut tat.

Davon abgesehen weiß ich nicht, wie das mein Vater, der eine Trennung wohl selbst gutheißt, heute mit seinem Spruch hält, dass er sie umbringen wird, wenn sie sich von ihm trennt.

Lässt es sein italienischer Stolz zu, dass sich meiner Mutter, wenn vielleicht auch nur kurzfristig, denn langfristig, aber das schrieb ich ja bereits weiter oben, wird es unter den derzeitigen Umständen kein Mensch mit ihr aushalten, ein anderer Mann an ihre Seite gesellt?
Und was ist mit ihrem Krebs? Wird er leichter wiederkehren, wenn sie noch mehr alleine ist?

Vorhin sagte sie, dass es ihren Tod bedeuten würde, wenn sie bei ihm bliebe, andererseits ist Einsamkeit auch ein sehr schmerzliches Gefühl. Meine Mutter meinte, dass sie sich jetzt mehrere Tage angeschwiegen hätten, was ja auch einer zweisamen Einsamkeit gleicht. Ich mache mir einfach Sorgen. Klar möchte ich, dass es beiden gut geht, aber sind sie in der Lage, die Trennung so zu bewerkstelligen, dass keiner mit größeren Verletzungen, um sinnbildlich mal eine sehr geschonte Ausdrucksweise zu gebrauchen, davonkommt?

Inzwischen habe ich meine Schwester angerufen, sie gefragt, ob sie „es“ schon wisse. „Eigentlich“, meinte sie, die diese Tatsache für gutheißt, „hätten die beiden das schon damals tun sollen, als wir noch klein waren“. Sie könne meinen Vater, zu dem sie regelmäßigen Kontakt hält, verstehen. „Früher war er das Schreckgespenst, jetzt ist es Mama“, fügte sie hinzu.

Meine Schwester meinte auch, dass sie sich sicher sei, dass wenn meine Eltern weiter zusammen blieben, es im wahrsten Sinne des Wortes zu Mord und Todschlag komme, spätestens dann, wenn meine Mutter auch Rentnerin ist. Sie erwähnte auch, dass mein Vater ihr gegenüber schon vier Mal von Trennung gesprochen habe, er heute wesentlich ruhiger sei als damals, er sich für damals auch entschuldigt habe und er, wenn er über meine Mutter spricht, sagt, dass er es einfach nicht mehr aushalte, dabei aber nicht bösartig über sie herziehe oder lästere und darüber hinaus auch sagt, dass sie gute Seiten hätte. Ich selbst kann dazu nichts sagen, da mein Vater für mich die Person ist, mit der ich, ohne dass es einen konkreten Anlass dazu gibt, am schlechtesten reden kann. Wir sind nicht verstritten, nein, gar nicht, ich kann einfach nur nicht mit ihm reden, weshalb ich über ihn auch kaum etwas weiß, was seine Gefühls- und Denkwelt betrifft, und meiner Schwester insofern einfach Glauben schenke.

Seltsam, habe das Gefühl, mich im freien Fall zu befinden – keiner da, der mich auffängt. Wird wohl ziemlich knallen, wenn ich auf der harten Boden der Realität lande. Klänge es nicht so dramatisch, würde ich sogar behaupten, dass es sich ein bisschen wie Sterben anfühlt, obwohl ich dazu ja eigentlich nichts sagen kann.

 

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