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Des Lebens muede

Zwei Tage noch, dann habe ich nach 27 Tagen, die ich ohne Unterbrechung gearbeitet habe, zwei Tage Pause, doch schon heute bin ich dermaßen aufgezehrt, dass mir bei der kleinsten Kleinigkeit die Tränen kommen. Ich kann nicht mehr. Auch nicht mehr abschalten. All mein Bemühen über meine persönlichen Grenzen hinaus in den vergangenen Tagen fruchteten nicht. Ich denke, dass DAS vielmehr der Grund meiner Erschöpfung ist, als das Arbeiten an sich. Hinzu kommt, aber ich weiß nicht, ob ich diesbezüglich objektiv bin, obwohl ich es rational zu betrachten versuche, das Gefühl, dass jeder immer nur etwas von mir will, ich inzwischen aber nicht mehr in der Lage zum Geben bin, weil einfach nichts mehr da ist, was ich geben kann. Ich bin einfach nur unendlich leer.

Es wird den wenigsten ein unbekannter Gedanke sein, vermute ich, zumal ich glaube, dass er alle Generationen, die irgendwann mal jung waren, eint. Wer will als Jugendlicher schon so sein wie die Eltern oder wie Erwachsene überhaupt? Ich wollte das nie. Selbst heute nicht, obwohl ich mich des Alters wegen dagegen natürlich überhaupt nicht davon ausnehmen kann und letztlich darüber hinaus sogar zu behaupten bereit wäre, dass die Menschen, die damals mit mir jung waren, heute andere Erwachsene sind, als es die zu unserer Zeit waren. Und trotzdem: heute sind wir die, vor denen wir uns selbst immer gewarnt haben. Heute sind wir demgemäß auch die, deren Kinder diese Gedanken hegen. Für mich ist das alles angesichts der Eile der Zeit, in denen das sich vollzog, kaum begreifbar. Ich will den Jahren aber auch nicht nachjagen, um die Kluft meiner noch immer gefühlten Jugend bis ins Heute zu schließen. Nein, ich möchte nicht ankommen, auch wenn mich diese innere Zerrissenheit, die zusätzlich noch durch viele andere Begebenheiten genährt wird, an den Rand des Erträglichen bringt.

Wenn wir mal annähmen, dass das reale Leben einem Film im Fernsehen gliche, erscheint mir das meine so, als würde mich jemand als zu Papier gebrachtes Pendant von außen auf den Bildschirm kleben. Quasi so, als wäre ich ganz nah dran am echten Leben, dann aber doch auch wieder völlig fern durch die Glasscheibe ausgegrenzt und als Papier-Ich noch nicht einmal dazugehörend. Von einem ganz weit entfernt gelegenen Punkt aus betrachtet reicht diese Konstellation gewiss aus, um den Schein zu wahren, aber je näher der Betrachter kommt, desto unwirklicher wird das Ganze. Vielleicht will ich auch nur dieses Papier-Ich leben, weil mir das Vertrauen zu den anderen fehlt und ich mich niemandem gegenüber öffnen möchte, der nicht ganz bei mir ist. Ich möchte nicht nur gehört, sondern auch verstanden und angenommen werden, was nicht heißen soll, dass mich jeder lieben muss. Natürlich nicht! Es ist legitim, mich auch nicht zu mögen.

Im Idealfall hätte mir das Zusammenspiel aus Zeit und Raum heute Nacht sechs Stunden Schlaf kredenzt. Die mit der Anspannung gepaarte innere Unruhe signalisierte aber bereits nach zermürbenden vier, dass es genug sei. Und genau so blickt mich die fremde Frau im Spiegel heute Morgen auch an. DAS kann ich nicht sein. Der Anblick lehrt mich das Fürchten und treibt mir Tränen ins Gesicht, doch zum Verzweifeln bleibt keine Zeit, das Büro wartet.

Fast bin ich froh darüber, dass der Pan und ich uns an diesem Wochenende nicht sehen, denn sonst müsste ich mir aus Scham eine Schutzmaske über das Gesicht ziehen.

Heute liegt wirklich ein absolut schrecklicher Tag hinter mir. Den ganzen Tag habe ich mich zusammengerissen, aber jetzt kann ich endlich in Ruhe zuhause weinen und alles rauslassen, obwohl es einen Moment im Büro gab, an dem ich die innere Stärke gegen die übermächtigen Tränen verlor. Ich könnte im hohen Bogen an die Wand kotzen. Noch so ein Tag und ich nehme mit Freuden Gift. Manchmal kann der Tod wirklich eine Erleichterung sein.

Und dabei geht’s ab morgen erst richtig los …

Technisch betrachtet ist das Auffinden von materiell Greifbarem eigentlich ganz einfach: Adresse oder Ort eingeben und schon spuckt Googles allseits bekannter Geocoder die Koordinaten aus. Wenn ich mich hingegen selbst zu orten versuche, findet das Referenzsystem jedoch nichts Erkennbares, gerade so, als sei ich ein Staubkorn in der Wüste, das auf keinen Verzeichnis der Welt Beachtung findet. Gefühlt befinde ich mich insofern im kargen Niemandsland, das niemals kartiert wurde, fast so als stünde ich wie ein Scheintoter zwischen Leben und Tod.

Mein Verstand sagt mir natürlich, dass ich real existierend bin, und doch switche ich letztlich nur zwischen dem Schatten der gerade noch erträglichen Wirklichkeit und der mir zurechtgezimmerten Fiktion, die ich mit Freunden aus dem TV lebhaft ausschmücke. So bin ich zumindest nicht mehr alleine.

Nachdem es in den heimatlichen Gefilden, um es mal salopp zu formulieren, nicht mehr so rund läuft, habe ich kurz vor Weihnachten zwei Bewerbungen auf Reisen gesandt: eine nach Berlin, eine andere nach Hamburg. Obwohl mir die Arbeitsstelle in Berlin im Haus der kleinen Forscher vom Aufgabenprofil wesentlich besser gefallen hätte, war ich mich sicher, dass ich auf diese Bewerbung hin eine Absage bekomme, da es sich hierbei um eine Leitungsposition handelt und ich hierin keinerlei Erfahrung habe. Trotzdem wollte ich die Möglichkeit auf diese spannende Tätigkeit nicht ungenutzt an mir vorüberstreichen lassen. Von Berlin habe ich bisher aber keine Nachricht erhalten, außer dass meine Unterlagen eingegangen sind. Ungeachtet dessen sind meine diesbezüglichen Chancen aber wirklich null und nichtig, den beiden abgeschlossenen Studiengängen und dem Volontariat zum Trotz. Es scheint als mache nichts mehr Sinn, wofür ich die Jahre zuvor Zeit und Energie aufgebracht habe. Ich habe etwas, was noch nicht mal das Papier wert zu sein scheint, auf dem es steht. Abschlüsse und Qualifikationen, die durch den Schredder der Zeit gänzlich wertlos geworden sind.

Vielleicht bin ich größenwahnsinnig, das mag sein, das mag ich mir auch nicht absprechen, aber irgendwie hatte ich tatsächlich geglaubt, dass mich zumindest die Stiftung in Hamburg zu einem Vorstellungsgespräch einladen würde. „Wenigstens das!“, dachte ich. Wie sich gestern herausstellte – die Absage kam wie üblich in einem großen Umschlag mit der Post – habe ich mich völlig selbst überschätzt. Wie maßlos von mir. Ich kann gar nicht mit Worten beschreiben, wie sehr das an meinem Selbstbewusstsein nagt. Ich bin es nicht wert, eingeladen zu werden! Bin stattdessen einfach nur eine zu Papier gebrachte Anhäufung von Informationen, die die Hürde nicht genommen haben. Unterm Strich bleibt für mich insofern die Info: Ich bin ein Nichts! Und genauso fühle ich mich jetzt auch.

Obwohl das neue Jahr dem Kalender bisher lediglich einige wenige Tage abverlangt hat, fühle ich mich in ihm bereits völlig verbraucht, was angesichts der Tatsache, dass ich rückblickend fast vier Wochen Urlaub hatte, kaum zu glauben ist. Momentan fehlt mir der Antrieb für die gängigsten Handgriffe. Und auch Konversation, egal auf welcher Ebene – virtuell oder real –, erscheint mir wie die Teilnahme an einem Marathon, für den mir sowohl die Kondition als auch die (mentale) Kraft fehlt. Ja, selbst das Denken schwächt. Am liebsten würde ich einfach wegfahren, um mich um nichts mehr kümmern zu müssen und alles Belastende hier zu lassen. Irgendwohin, wo es warm ist, wo es aber keine Nachrichten, keine Computer und auch sonstige technischen Spielereien zum Anschluss in die virtuelle Welt gibt. Einfach nur dorthin, wo man sich erholen kann und einen nicht die Realität einholt, sondern nur das zu erkunden wollenden Hier und Jetzt vor Ort zählt.

Genauso wie man sein Auto in der Regel alle zwei Jahre vom TÜV kontrollieren lässt, sollte man hin und wieder auch seine freundschaftlichen Beziehungen einer Qualitätsprüfung unterziehen, um sie im schlimmsten Fall, wenn das Miteinander inzwischen soviel Rost angesetzt hat, dass sie unvorhersehbar auseinander zu brechen droht, verschrotten zu lassen. Wenn nichts mehr zu retten ist, ist nichts mehr zu retten. Punkt. Das muss man sich dann auch trotz aller Bekümmernis darüber eingestehen, um einen klaren Schlussstrich darunter setzen zu können. Nein, es geht hier nicht darum, mit jemandem abzurechnen oder von jemandem schlecht zu reden. Es geht vielmehr darum, mein Leben in Ordnung zu bringen, es fein zu justieren, um erkennen zu können, was noch da ist und was ich aus dem Gebliebenen machen kann und machen will. Mit Halbherzigem und Oberflächlichkeit mag ich in meiner Freizeit nicht leben müssen. Es reicht, wenn sich diese beiden Unannehmlichkeiten in meinem Berufsalltag an meine Seite gesellen. Privat brauche ich das nicht. Deswegen habe ich mich, auch um mich vor weiteren Verletzungen zu schützen, dazu entschieden, Menschen, von denen ich glaubte, ich pflege eine freundschaftliche Beziehung zu ihnen, den Status Freund auf Bekannter herunterzustufen. Interessant wäre in diesem Zusammenhang gewiss eine Erklärung meinerseits, wo die Grenzen zwischen Bekannter und Freund liegen beziehungsweise wie ich beides definiere, was an dieser Stelle aber den Rahmen sprengen würde, zumal ich mich jetzt erst einmal damit auseinander setzen muss und möchte, das Geschehene in mein Leben zu integrieren, sprich mir einzugestehen, dass da gar nicht viel ist, auf das ich aufbauen kann, aber ich will mir auch keine Scheinfreunde einbilden, bloß um zu glauben, dass sich jemand für mich und mein Leben interessiert und ich nicht alleine bin.

Emotional bin ich derzeit so aufgewühlt, dass ich gar nicht weiß, wohin mit all diesen Gefühlen, die ich auch nicht sortiert bekomme. Es geht um mein Leben, meine Zukunft, meine Existenz. Immer dann, wenn die Waagschale der Entscheidung erkennbar ihr Gleichgewicht verliert und es darauf hinauslaufen könnte, dass ich einen zielgerichteten Beschluss fasse, kommt von irgendwo eine neue Unwägbarkeit hinsichtlich dessen, ob es richtig ist, mich für diese eine Seite zu entscheiden. Beide Seiten haben Vor- und Nachteile. Ein Ja beinhaltet ein Stückchen Sicherheit, dafür mache ich mich mit diesem Ja, wenn ich es denn gebe, zum Deppen. Ein Nein bewahrt meine Würde, bringt aber sehr viel Unsicherheit mit sich, und vielleicht auch eine komplettes Umwerfen meines bisherigen Lebens.

Am Montag muss ich mich allerspätestens entscheiden. Länger kann ich es nicht hinauszögern. Es wird definitiv kein eindeutiges richtig oder falsch geben. Grundsätzlich möchte ich mich aber nicht mehr länger zum Deppen machen lassen. In letzter Zeit ist mir aufgefallen, dass gerade das mich unendlich verärgert und auch unsagbar traurig macht, weil ich das Gefühl habe, dass man mich nicht ernst nimmt und ich mich dann zeitgleich als Mensch zurückgesetzt fühle.

Vor einem Jahr an Weihnachten ist mein Opa gestorben. Das war auch ein Einschnitt in meinem Leben. Kein so gravierender wie der Tod meiner Oma, aber ähnlich. Jetzt scheint das Ende diesen Jahres auch keinen guten Ausklang nehmen zu wollen, fast egal, wie ich mich entscheide.

Wenn ich könnte UND den Mut hätte, würde ich mich am liebsten auch vor den Zug werfen, obwohl ich an anderer Stelle einmal schrieb, dass ich eine solch blutige Variante des Freitodes nicht wählen würde, um denen, die einen finden, unnötiges Leid zu ersparen. Momentan scheint es mir aber gerade gut genug. Aber keine Angst! Ich mache es nicht! Ich würde es gerne, weil ich glaube, dass dann alle Bürden weg sind und ich frei von Lasten bin, das heißt überhaupt frei. An Wiedergeburt glaube ich ja nicht.

Wie gerne würde ich meine Würde UND die Sicherheit wahren beziehungsweise zumindest keine Angst spüren müssen, wenn ich mich für meine Würde entscheiden sollte. Und wenn ich schon im Konjunktiv bin: ich würde gleichermaßen gerne einfach mal die Rolle mit den „Verursachern“ dieses Dilemmas tauschen.

Eine der gängigen Bewertungskriterien bei der Frage, welche Nachrichten Nachrichtenwert haben, lautet Betroffenheit. So lange das Atomkraftwerk xy beispielsweise auf dem Mond gebaut wird, interessiert das vermutlich herzlich wenige; wenn das Atomkraftwerk dann aber plötzlich vor der eigenen Haustüre errichtet werden soll, ist der Aufschrei wegen der persönlichen Betroffenheit groß.

Was ich damit sagen will? Nichts anderes als im Absatz zuvor: ich würde gerne mal swichten, Rollentausch betreiben und jene vor die Frage stellen, die sie mir mit auf den Weg gaben. Im umgekehrten Fall wäre die Betroffenheit gegeben und damit gewiss (?) auch ein Grundmaß an Verständnis, mit dem ich unter den realen Bedingungen fern ab all meiner Wünsche aber nicht rechnen kann.

Momentan erscheint mir mein Leben eher rückläufig, fast so wie in dem Film „Der seltsame Fall des Benjamin Button“. Persönliche Wertigkeit geht mehr und mehr verloren und man wird immer kleiner, kleiner, kleiner, … bis man irgendwann ganz verschwunden ist. Ja, irgendwann werde auch ich mich auflösen.

Ich kann das alles abwägende Sinnieren momentan gar nicht mehr abstellen. Im meinem Kopf surren Tausende von Gedanken wie ein undefinierbares Meer an Eintagesfliegen, das zu nächtlichen Stunde die hellsten Laternen der Stadt bevölkernd umgarnt. Wie soll ich da Klarheit finden? Sehen können, was das Richtige, was das Gute (für mich) ist? Es herrscht Aufbruchstimmung, genährt von menschlichen Enttäuschungen und reiner Verzweiflung. Vielleicht klappt’s anderswo doch besser als hier? Hier, wo mich kaum mehr etwas hält, wo es außerhalb der relativen Nähe zur Familie nur noch zwei befreundete Menschen gibt, die möglicherweise bekümmert wären, wenn ich die Heimat verließe.

Das Telefon kann aber in jeder anderen deutschen Stadt genauso gut schweigen wie hier. Schade, dass ich mich nicht 20 Jahre zurückbeamen kann, denn dann würde ich die Weichen mit dem Wissen von heute anders stellen. Ganz anders. Zielgerichteter. Energischer. Es scheint, als hätte ich irgendwann einmal DEN, sprich meinen, Zug verpasst, dem ich seitdem zeitlebens mit alternativen Reisemöglichkeiten hinter zu kommen versuche, doch egal wie sehr ich mich darum mühe: der Zug ist jedes Mal erneut schon abgefahren, wenn ich denn einmal rechtzeitig am Bahnhof sein sollte. Das zermürbt.

 

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