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Ist das nicht der total liebenswürdige Wahnsinn? Nach elf Jahren meldet sich heute morgen völlig unerwartet meine ehemalige Französisch- und Englischlehrerin, die vor zwei Jahren – wie ich Anno 1993 – nach Würzburg gezogen ist. Gut, Wertheim, der Ort an dem ich aufwuchs und zur Schule ging, ist zwar nicht wirklich weit von Würzburg entfernt (45 Kilometer), aber immerhin. Im Display erkannte ich eine ortsansässige Nummer. Ich war – wie fast jeden Morgen – wieder mal in Eile, wollte nur noch schnell, was bei mir relativ ist, meine Haare föhnen, ging dann wohl auch mit einer hektischen Stimme ans Telefon, um nach ihren begrüßenden Worten einfach nur noch perplex zu sein. Freudig perplex!

Der angebundenen Eile wegen (mein Pan fährt in Bälde mit dem Zug am Hauptbahnhof ein) nur die gestraffte Kurzversion:

Sie habe meinem Namen schon ein paar Mal in der Zeitung gelesen, wollte mich schon öfter anrufen, sei aber bis dato nie dazugekommen. Jetzt, wo sie über Zeit verfüge (sie macht gerade eine Chemotherapie und ist insofern krank geschrieben), wollte sie es endlich mal realisieren. So leid mir die Umstände des Anrufes auch taten, so sehr freute ich mich, sie zu hören. „Wie gut, dass ich nicht Müller heiße“, konterte ich anfangs noch ein wenig spaßig, bevor sie mir über den erneuten Ausbruch des Krebses Auskunft gab. Zur Erläuterung sollte ich vielleicht für die mich nicht mit vollen Namen kennenden Leser erwähnen, dass ich einen sehr exotisch klingenden italienischen Nachnamen habe, den es in ganz Deutschland nur dreimal - mein Vater, mein Bruder und ich. - im Telefonbuch gibt, aber das nur am Rande erwähnt. Ja, ich freute mich wirklich, sagte ihr das auch am Telefon, doch ich war sprachlich spontan leider nicht so vermögend, es in die passenden Worte des mich vereinnahmenden Gefühls zu kleiden. Für mich hieß ihr Anruf zweierlei. Erstens, dass sie sich nach so vielen Jahren noch immer an mich erinnert (man bedenke, wie viel Schüler sie wohl in all den Jahren noch begegnet sein mag) und zweitens, dass sie mich als Person zumindest ein bisschen wertschätzen muss, denn sonst gäbe es nicht den Hauch eines Grundes, sich bei mir zu melden. Ehrlich gesagt, aber das teilte ich ihr natürlich nicht mit, war ich erstaunt, auch wenn es sich wahrscheinlich blöd anhören mag, dass sie noch unter den Lebenden weilt. Ein ehemaliger Klassenkamerad, mit dem ich in sehr sporadischem Kontakt stehe, teilte mir vor einiger Zeit (ein paar Jahren) mit, dass es Frau J. gar nicht gut gehe, sie Krebs habe, sie deswegen auch von der einstigen Schule gegangen sei, was sie mir im heutigen Telefonat bestätigte. Ich weiß nicht wann, vielleicht letztes Jahr, als meine Mutter selbst an Krebs erkrankte, aber ein paar Mal fragte ich mich in der Vergangenheit schon, wie es ihr wohl ergangen ist, ob sie noch lebt, ... und dann heute dieser Anruf.

Erstaunlich finde ich auch, dass sie die wenigen Briefe, die ich ihr nach der Schulzeit von einem mehrmonatigem stationären Aufenthalt meinerseits geschrieben habe (bis heute wusste ich gar nichts mehr davon), alle aufgehoben und den letzten erst vor einigen Tagen erneut gelesen hat, wobei ich an dieser Stelle - um Missverständnissen vorzubeugen - hinzufügen möchte, dass mein Aufenthalt damals thematisch nicht ansatzweise etwas mit ihrem Krankheitsbild zu tun hatte.

Eigentlich war es ja nur ein Anruf und dann auch wieder nicht, da sie meinen Tag durch diese Geste mit etwas ganz Wertvollem bereichert hat. Ja, ich fühlte mich durch diesen Anruf beschenkt, weil sie meine Person wertschätzte, mich am Ende des Telefonats auch fragte, ob ich mit ihr einen Kaffee trinken würde.

Klar würde ich!

Und jetzt bin ich am überlegen, ob ich ihr – aus diesem wunderbaren Glücksgefühl heraus – nicht einfach eine Postkarte schreiben soll, um sie an diesem Gefühl, das sie selbst auslöste, teilhaben zu lassen.

Obwohl, jetzt werde ich es nicht mehr schaffen, ... der Zug des Pans, ich muss mich beeilen, mehr als das.
 

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