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39 Jahre hat er mich durch mein Leben begleitet, heute Nachmittag ist mein Opa von uns gegangen. Angeschlagen war er ja schon eine ganze zeitlang. Wenn alles gut gegangen wäre, hätte er am 13. Januar die zwingend notwendige Herz-OP bekommen, die seit vorgestern – nach seiner dramatischen mitternächtlichen Einlieferung ins Krankenhaus, bei der sich der Notarzt für ihn „den Arsch aufgerissen hat“ (kaum zu glauben, dass ein Notarzt, wobei ich hier nur von diesem einen spreche, so etwas zu einem Patienten sagt, der nicht mit ins Krankenhaus möchte und seinem Ärger auch noch dadurch Ausdruck verleiht, dass er dem Patienten die mit Gummi befestigte Beatmungsmaske vom Gesicht nimmt und wieder zurückschnalzen lässt) - aber sowieso offen im Raum stand. Er war schwach. Sehr schwach. Verlor mit dem Stuhl viel Blut, so viel, dass er von der Toilette nicht mehr alleine aufstehen konnte. Der darauf hin mittags erschienene Hausarzt meinte lediglich, dass man das beobachten soll und wenn es morgen noch anhalten würde, müsse man ihn ins Krankenhaus einweisen. Nachts brach er dann völlig zusammen.

Ich getraue mich es kaum zu schreiben, weil ich fürchte, dass man mir die folgenden Zeilen nicht glaubt, vielleicht würde ich sie selbst nicht glauben, wenn ich sie anderweitig lesen würde. Da aber mein Bruder, meine Mutter und mein Onkel allesamt mit vor Ort waren und alle drei das gleiche sagen, es ja auch keinen Grund gibt, mich diesbezüglich zu belügen oder zu dramatisieren, wenngleich man vielleicht ungewollt dazu neigt, wenn man selbst emotional involviert ist, glaube ich deren Auskünften. Als sie zu dritt meinen Opa nicht mehr „aufpeppeln“ konnten, riefen sie nachts die Leitstelle (112) an. Der Mann am anderen Ende fing mit meinem Onkel erst einmal eine Grundsatzdiskussion über die Notwendigkeit eines nächtlichen Einsatzes an, was meine Mutter nach zwei Minuten dermaßen erboste, dass sie den Hörer in die Hand nahm, um endlich Hilfe zu erhalten, während mein Opa weiter nach Luft röchelte. Als auch sie nicht weiter kam, platzte meinen Bruder nach zwei weiteren Minuten Diskussion der Kragen. Er nahm den Hörer und schrie hinein, dass hier jemand gerade im Sterben liege und sie Hilfe bräuchten. Erst dann fragte der Mann am anderen Ende nach der Adresse. Rund vier Minuten später kam der Notarzt und dann der Krankenwagen. Das war in der Nacht vom 23. auf den 24. Dezember. Seitdem lag mein Opa auf der Intensivstation. Sein Problem mit dem Herz war die eine Geschichte. Die mit dem blutendem Darm die andere. In der ersten Nacht haben sie ihm acht Beutel Blut zugeführt, heute noch mal zwölf. Den Kampf mit dem Leben hat er trotzdem verloren.

Jemanden an Weihnachten, dem Fest der Liebe, zu verlieren, finde ich persönlich irgendwie noch schmerzlicher als an jedem anderen Tag im Jahr.

Am allerschlimmsten ist die Tatsache, dass wir, der Pan und ich, ihn gestern besuchen wollten. Im Krankenhaus 45 Minuten vor der Intensivstation warteten, dort nicht eingelassen wurden und just zu dem Zeitpunkt, als wir endlich zu ihm gekonnt hätten, gehen mussten, weil noch drei weitere Termine anstanden. Wenn ich auch nur geahnt hätte, wie schlimm es um ihn steht! Ich hatte die Stationsschwester sogar noch gefragt, wie es ihm gehe und ob er über Nacht stirbt, worauf sie sagte, dass er soweit stabil sei und er die Nacht überlebe, man andererseits natürlich nie eine Garantie geben könne bei älteren Menschen.

81 Jahre ist er geworden. Ich habe ihn zuletzt am Muttertag gesehen und mache mir bezüglich gestern große Vorwürfe. Andererseits stand ich innerlich total unter Druck. Mein einer Onkel, der das Essen für die Familie gekocht hatte, weigerte sich das Essen zu meinen Eltern (hier wollten wir zusammen feiern) vorzutragen, solange ich nicht bei ihm war und mich von ihm bescheren habe lassen. Geplant war das Essen bei meinen Eltern um 19 Uhr. Bis spätestens 18.30 Uhr musste ich bei meiner Schwester, die gestern auch noch Geburtstag hatte, sein. Die Gründe dafür näher zu erläutern, warum sie zum Beispiel abends nicht auch bei meinen Eltern ist, würde an dieser Stelle zu weit führen, die Kurzfassung lautet: sie lässt sich gerade scheiden und zieht diese Woche um. Also hetzten wir vom Krankenhaus zu meiner Schwester und von dort zu meinem Onkel, um im Anschluss zu meinen Eltern zu eilen, schließlich wollte ich nicht dafür verantwortlich sein, dass andere meinetwegen hungern müssen („Weihnachten fällt flach, wenn Du vorher nicht deine Geschenke abholst“, hieß es im Originalzitat), schließlich war das Essen ursprünglich um 17 Uhr angesetzt, durch den Krankenhausaufenthalt meines Opas aber nach hinten verschoben worden. Meine Laune war auf dem Nullpunkt.

Mein Bruder hat heute Mittag als einziger noch meinen Opa lebend gesehen. Als der Arzt ihm mitteilte, wie schlecht es um ihn stünde und er daraufhin meine beiden Onkel und meine Ma anrief, jene ins Krankenhaus hasteten, durften sie schon nicht mehr zu ihm, weil die Ärzte gerade mit seinem Leben kämpften. Danach war er tot!

Mein Bruder meinte vorhin, dass ich froh sein soll, dass ich meinen Opa die beiden letzten Tage nicht mehr gesehen hätte, weil ich ihn nicht mehr wieder erkannt hätte. So würde er weitestgehend vital in meiner Erinnerung fortleben. Ich hätte das aber gerne in Kauf genommen, um noch mal seine Hand zu halten, ihm zu zeigen, dass ich ihn lieb habe oder auch einfach nur, um ihm ein Küsschen zu geben. Jetzt werde ich dazu keine Gelegenheit mehr haben. Davon abgesehen sah meine vom Krebs gezeichnete Oma vor drei Jahren in ihren letzten Tagen auch überhaupt nicht mehr wie sie aus. Was an Erinnerung an sie bleibt, ist aber trotzdem ausnahmslos nur schön.

Was für ein grausames Weihnachten, über dem nun in alle Zukunft ein tödlicher Schatten liegt.
 

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