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Die Information, dass mein Opa gestorben ist, schwappt inzwischen wie eine immer wiederkehrende Welle vollen Kummers an den Strand meines Bewusstseins. Ich spüre aber auch, wie sie nach einer gewissen Zeit wieder zurückläuft, der Schmerz abebbt, vielleicht weil ich zu verdrängen suche, um nicht wahrzuhaben, was wahr ist. Vielleicht handelt es sich aber auch um einen gesunden Mechanismus, der - in der Regel - nur so viel Schmerz zulässt, dass der jeweils Fühlende nicht daran zerbricht. Ich weiß es nicht.

Gerade eben habe ich mich gefragt, wo mein Opa denn genau jetzt liegt. Klar, im Krankenhaus, aber wo? Im Kühlfach? Geht das so schnell? Vermutlich schon. Nein, ich sollte diese Gedanken nicht zulassen.

Nein, die Welt ist auch heute nicht stehen geblieben, bloß weil jemand aus meinem Familienkreis gestorben ist. Ich hatte mich schon damals bei meiner Oma gewundert. Gefühlt war mir so danach. Ich hätte es zumindest nicht für fragwürdig oder verwunderlich gehalten, aber in dieser Hinsicht ist das Leben gnadenlos. Andererseits sagt mir meine Vernunft natürlich auch, dass die Welt gar nicht mehr aus dem Stillstand herauskäme, wenn sie jedes Mal stehen bliebe, wenn jemand stirbt, dessen Verlust bei den Angehörigen eine riesige Lücke zurücklässt. Fakt ist, dass für uns, die Familie, seit dem Tod meiner Oma 2003 eine neue Zeitrechnung begonnen hat.

In den Fluten des mit den Gefühlen ringenden Meeres formiert sie, die Welle, sich schließlich neu, um mit aller Wucht auf das Ufer der Sprachlosigkeit zu peitschen.

Jetzt sind sie beide weg. Ich allein. Ohne Großeltern. Damit muss ich erstmal klarkommen. Ist er wirklich tot? Ganz tot? So endgültig, ohne Rückfahrschein ins Leben? Und wieder ist ein Stück prägendes und unersetzliches Ich aus mir herausgebrochen. Jetzt hilft mir nur noch mein Erinnerungsvermögen und Fotos, sich ihn zu mir zu holen. Ob er Schmerzen hatte? Ob er spürte, dass seine Kinder nur durch die Tür von ihm getrennt waren, während er einsam in den Händen der Ärzte starb? Ob er deswegen traurig war? Was mag ihm wohl durch den Kopf gegangen sein?

Mein Opa ist weg.

Dieser kurze Satz mag für die wenigsten von Bedeutung sein, für mich ist diese Welt jetzt aber nicht mehr so wie vorher. Es wird gewiss so gut wie niemand merken, aber für mich ist es auf diesem Planeten wieder ein Stück dunkler geworden. Ja, ich werde an seinem Tod nicht zerbrechen, das mag schon sein. Ich werde weiterleben. Irgendwie. Werde gewiss auch wieder lachen, aber das Opa-Licht, das meine eigene Dunkelheit in gewissen Ecken erleuchtete, wird für immer erloschen sein. Und ihn mittels einer anderen Glühbirne zu ersetzen, funktioniert nicht, da er seine ganz eigene und ganz besondere Fassung hatte.

Wo auch immer Du gerade sein magst, geliebter Opa, vielleicht hat Dich Oma heute Nachmittag an die Hand genommen und war da, als Du gegangen bist. Ich hoffe, dass es so war, denn das wäre ein tröstlicher Gedanke. Verzeih, dass ich gestern nicht feinfühlig genug war, den Ernst der Lage zu erkennen und alle Folgetermine habe sausen lassen, um Dich noch einmal leibhaftig zu sehen, zu sprechen und zu herzen. Ich bin so froh, dass Dir heute wenigstens noch Carmine hat mitteilen können, dass wir da waren und mir dein Weihnachtsgeschenk gefallen hat, obwohl ich so gerne selbst Danke gesagt hätte.

Du Opa: ich liebe Dich.
 

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