Aeltere Beitraege von blogger de
Aergerlich
Angst
Aus der Welt der Nachrichten
Des Lebens muede
Ein neuer Tag
einsam & verlassen
Familie
Freizeit
Freude
Job
Kaum zu glauben
Kino
Kurioses
Nicht von dieser Welt
Omas Krebs
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
icon

 
Im Moment ist meine Mutter mit meinen beiden Onkeln beim Bestatter. Mein Onkel hat mich schon mehrfach auf dem Handy zu erreichen versucht, doch ich schaffe es nicht, ans Telefon zu gehen. Ich habe einfach Angst, dass mich deren Kummer erdrückt. Es mag egoistisch sein, aber ich muss und möchte irgendwie erst einmal selbst damit klarkommen. Gespürt habe ich diesen Impuls heute Morgen, als ich mit meiner Mutter gesprochen habe, die natürlich und verständlicherweise geweint hat. Ich mag mir da aber keine Blöße geben und wenn es noch so menschlich und mitfühlend ist. Was ich fühle, soll niemand sehen.

Es fällt mir relativ leicht, es (weitestgehend) anonym in meinen Blog oder via SMS kundzutun, was vermutlich daran liegt, weil hier noch die schützende Distanz zwischen Sender und Empfänger ist. Das Gleiche jemanden von Angesicht zu Angesicht mitzuteilen, fällt mir hingegen unglaublich schwer, ist meistens auch unmöglich. Selbst der Pan liest manchmal in meinem Blog, wenn er wissen möchte, wie es mir wirklich geht.

Ich vermute, dass die Beerdigung am Montag oder am Dienstag ist. Meine Mutter meinte heute Morgen, dass sie meinen Opa - als Mann des Berges - in seiner typischen Wanderkluft (Knickerbocker, grüne Kniestrümpfe, kariertem Hemd, Wanderschuhe und Hut mit Gamsbart) zu Grabe tragen lassen wollen. Es wäre ihm sicherlich Recht, wobei ich Angst habe, dass der Bestatter des Hutes wegen vielleicht Probleme macht.

Was Alex, meinen einen Onkel, der schon seit dem Tod meiner Oma absolut jegliche Lebensfreude verloren hat, betrifft, fürchte nicht nur ich, dass er sich nun tatsächlich das Leben nimmt. In der Nacht, als meine Oma damals ging, hat er sich einen ganzen Stapel ihrer Morphiumtabletten eingeworfen und wollte vom Balkon springen. Die letzte Nacht war meine Mutter, sein Bruder und eine Cousine bei ihm. Ich weiß nicht, was die Zukunft für ihn noch bereithält. Unter der Woche wohnt und arbeitet er 130 Kilometer entfernt. Er ist 50 Jahre, ohne eigene Familie, hat Zeit seines Lebens fast jedes Wochenende bei seinen Eltern verbracht. Eigentlich müsste er eine Therapie machen, aber das will er nicht. Zwingen kann ihn auch niemand. Genauso wenig wie ihn unter der Woche schützen. Nach dem Tod meiner Oma hat er sich komplett auf meinen Opa und die Grabpflege seiner Mutter fixiert. Er fühlte sich für meinen Opa verantwortlich, er wurde gebraucht, was ihm sicherlich auch ganz gut tat. Aber jetzt ist dieser Halt weggebrochen. Meine Mutter meinte heute Vormittag ebenfalls - ich äußerte meinen Gedanken des Suizids nicht -, dass sie sich diesbezüglich große Sorgen macht. Gestern hätte Alex auch schon wieder gesagt, dass er vom Balkon springen möchte.

Auch das, so grausam es klingt, würde mich inzwischen nicht mehr wundern. Vielleicht ist der Tod manchmal wirklich eine Erlösung – und das nicht nur für die, die vom Krebs oder anderen Krankheiten, in welcher Art auch immer, zerfressen sind? Nicht umsonst werden Menschen bei Operationen in Narkose versetzt, weil der Schlaf den Schmerz ausblendet. Vielleicht glauben oder hoffen jene, die des Lebens müde sind, mit ihrem selbst herbeigeführten Tod so etwas Ähnliches zu erreichen: dauerhaften Schlaf, der den Schmerz für immer tilgt.
 

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma