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Kalt, aufwühlend und traurig, so lässt sich in drei kurzen Worten die heutige Beerdigung meines Opas beschreiben. Ich hatte mit mir gehadert, ob ich ihn mir noch einmal aufgebart ansehen soll, war dann aber wohl doch zu neugierig - anders kann ich es nicht bezeichnen -, weil ich wissen wollte, wie er in seiner Wanderkluft aussieht. Davon abgesehen hatte ich ihn zuletzt im Mai gesehen. Ein letztes Mal wollte ich ihm noch real nahe sein. Wann, wenn nicht heute, hätte ich noch einmal dazu Gelegenheit gehabt? Mit einer Mischung aus unsagbarer Angst und morbider Faszination näherte ich mich dem offenen Sarg und wunderte mich zunächst über das aufgeschwämmte Gesicht und das verletzte Ohr, während ich zeitgleich bewunderte, wie elegant er auf seinem Totenbett ruhte.

Ich kann nicht sagen warum ich das mache, was mich innerlich dazu antreibt, vielleicht weil ich um jeden Preis festzuhalten versuche, aber ich wollte ihn - wie damals meine Oma - fotografieren. Eigentlich wollte ich es heimlich realisieren, weil ich mit dieser Aktion auch niemand verletzen wollte, doch mein einer Onkel wich nicht von der Seite seines Vaters. Kurz bevor der Sarg geschlossen werden sollte und nur noch mein Onkel und ich in diesem Raum waren, sagte ich es ihm, worauf er mich gewähren ließ. Ganz ehrlich: Ich kam mir wie ein Paparazzo vor, doch ich bin froh, dass ich es getan habe, zumal diese Bilder natürlich nicht zur Schau gestellt werden. Ich habe ihn zwar nicht als Letzte lebend gesehen, dafür aber als Letzte im Leben fotografiert. Es muss absurd klingen, das zu lesen. Möglicherweise vielleicht sogar so, als ob ich irgendjemand etwas damit beweisen müsste, was natürlich Unsinn ist. Niemand muss jemandem etwas beweisen. Nicht in meinem Umfeld! Ihn anzufassen habe ich mich aber nicht mehr getraut, weswegen ich mich fast ein wenig schämte. Einige der Verwandten, so auch meine Ma, haben ihm noch mal über den Arm oder durchs Haar gestreichelt. Ich konnte das nicht. Vielleicht hätte ich mir dann eingebildet, dass der Tod an mir haftet. In dieser Hinsicht bin ich sowieso nicht bei klarem Verstand.

Die zweite Nacht nach seinem Tod verbrachte ich alleine. Den ganzen Tag über konnte ich mich ablenken, doch als ich dann mit meinen vier Kindern (Kuscheltieren) wie üblich eingeschlossen im Schlafzimmer im Bett lag, war der ganze Raum vom Tod erfüllt. Ich hatte das Gefühl, daran zu ersticken und einmal mehr die Nacht nicht zu überleben.

Wurde heute beerdigt: mein geliebter OpaBevor mein Opa zu Grabe getragen wurde, wurde in einer Kapelle auf dem Friedhof ein Gottesdienst zelebriert. Draußen war es bitterkalt. Wie einige andere hoffte ich, dass zumindest in der Kapelle etwas geheizt sei, doch vergebens. Ich saß nur wenige Meter vom Sarg entfernt und fand den Gedanken, dass sich darin mein Opa befinden soll, gänzlich befremdlich, obwohl vor dem Sarg ein Bild von ihm, das ich einmal gemacht hatte, stand. Richtig gehört habe ich die Pfarrerin eigentlich nur dann, wenn sie private Details aus dem Leben meines Opas erzählt hatte und als sie der Frage nachging, was nach dem Tod meines Opas bleibe, ja, was überhaupt nach dem Tod eines geliebten Menschen bleibe. „Was bleibt nach Dir?“, ging es mir durch den Kopf und „Wer würde deiner Beerdigung beiwohnen?“.
In typischer „Das-Wasserglas-ist-halbleer-Manier“ trieb mir die eigene Antwort darauf die Tränen ins Gesicht.

Das, was meinem Opa nach seinem Tod bleibt, ist unsere Liebe. Das, was uns, den Zurückgelassenen, bleibt ist die Erinnerung an ihn mit all ihren Facetten, die beispielsweise gleichermaßen seine Liebe beinhaltet.

Ich will das nachmittägliche Ereignis hier auch nicht zu weitschweifend erläutern, doch noch zwei kleine Begebenheiten, eine erschreckende und eine peinliche, erwähnen.

Als mein einer Onkel vor dem Grab seines Vaters stand, dachte ich für einen winzigen Moment tatsächlich, er springt jetzt ins Grab seiner Eltern. Ich hatte es kürzlich erst erwähnt. Seitdem Tod meiner Oma hat er jeglichen Lebenswillen verloren und sich nur noch auf deren Grabpflege und um die Fürsorge seines Vaters gekümmert. Er wird die Wohnung meiner Großeltern, seiner Eltern, weiter behalten. Das kann nicht gut gehen. Das sagen auch die anderen Verwandten, aber für Argumente und Gespräche ist er nicht zugänglich. Er wird künftig jedes Wochenende in die leere Wohnung seiner Eltern kommen. Wie viel Schmerz erträgt ein Mensch? Er hat sich so verändert in den letzten drei Jahren, seitdem sich sein neuer Freund „Alkohol“ an die Seite gesellte.

Peinlich, um nicht unendlich peinlich zu sagen, ist die Tatsache, dass ich bei Beerdigungen oftmals lachen muss, eigentlich oftmals bei Anlässen, die absolut nicht zum Lachen sind. Meiner Schwester geht es diesbezüglich nicht viel anders. Wenn man uns so sieht, muss man wirklich glauben, dass wir keinen Hauch an Anstand in uns haben oder komplett pietätslos sind, dabei platzt es wirklich völlig unkontrolliert aus uns heraus. Zum Glück hatten wir uns heute innerhalb der Gesellschaft soweit im Griff, dass uns das nicht passierte. Als wir aber als Nachzügler auf dem Weg von der Kapelle zum Grab waren, polterten einige Lachsalven völlig unkontrolliert aus uns raus. In solchen Momenten könnte ich vor Scham dann echt im Boden versinken.
 

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