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Alex, mein Onkel, steht unter Medikamenten, lebt, seinen eigenen Worten zufolge, derzeit wie in Trance, ist nicht mehr aufnahmefähig, ist zunächst auch erst einmal krank geschrieben, wobei ich nicht weiß, ob ich das für gut heißen soll, wenngleich ich es verstehen kann.

Aber was macht er nächste Woche, wenn alles hektische Treiben, das ihn die vergangenen Wochen in Sorge um meine Oma umgab, wegfällt, langsam Ruhe einkehrt und er plötzlich wieder Zeit für sich hat, vielleicht viel mehr als ihm lieb ist? Dass er Ruhe braucht ist klar, ich kann nur nicht sagen, ob diese Stille, in der ihm soviel Zeit zum Nachdenken bleibt, ihn nicht auffressen wird. Gestern erläuterte er mir, dass er derzeit nach wie vor noch jeden Tag von Wertheim nach Wiesbaden (einfacher Weg 130 Kilometer) fährt, bloß um das Gefühl zu haben, als sei alles noch so wie die Wochen zuvor. Zeit seines Lebens verbrachte er nahezu jedes Wochenende bei seinen Eltern. „Ich weiß nicht, ob ich das schaffe, mein Leben neu zu orientieren“, meinte er gestern Nacht noch zu mir. Klar wird er künftig auch weiterhin meinen Opa, seinen Vater, besuchen, doch das ist etwas anderes, schwierig zu erklären, wenn man meinen Opa, der der Konversation kaum mächtig ist (trotzdem ein herzensguter Mensch ist), nicht kennt. Antrieb war meine Oma. Sie war der Magnet, der die Familie zusammenhielt, meinte meine Mutter.

Morgen,10.30 Uhr, ist die Beerdigung. Heute, 18 Uhr, wird meine Oma – in ihren Lieblingskleidern - noch einmal aufgebahrt. Alex erzählte mir, dass er das mit den Bestattern so arrangiert hat, dass meine Oma mein rotes Steinherz, an das sich meine Oma noch in der Stunde ihres Todes klammerte, mit ihren Händen umschließen wird, während die selbst gebastelte persönliche Sorgen- und Nöte-Schachtel auf ihrem Kopfkissen ruhen wird.

Den Worten meiner Mutter zufolge haben sich die drei Kinder meiner Oma zumindest gestern soweit verstanden, dass sie, alles was die Beerdigung betrifft, eine relativ streitlose – außer den Disharmonien, was die Totenanzeige anbelangt - Übereinkunft fanden: Sie entschieden sich für einen italienischen Sarg mit weißen Satin und einem feinen Kopfkissen. Musikalisch gäbe es neben der gewöhnlichen Orgelmusik auch jemanden, der Geige und Flöte spielt. Das Grab befände sich an so einer aparten und idyllischen Stelle, dass meine Mutter sich dahingehend äußerte, dort auch ihren letzten Frieden finden zu wollen. Bei den Blumenkränzen agierte sowieso jeder einzeln. Soviel zu den mir per Telefon zugetragen Fakten.

Mein anderer Onkel wird meinen Opa am Sonntag vorerst einmal für die nächsten Wochen mit zu sich nehmen, damit er dort vielleicht ein wenig Abstand von dieser traurigen Gewissheit, mit der wir uns nun alle auseinander zu setzen haben, gewinnt.

Meine eigenen Gefühle kann ich derzeit gar nicht beschreiben. Einerseits sagt mir mein Verstand, dass meine Oma tot ist, weshalb ich mich innerlich irgendwie auch so sachlich fühle, ... ich weiß nicht, wie ich es besser formulieren könnte. Andererseits lebt meine Oma in mir aber noch, so dass ich das ganze Sterben und Nichtmehrdasein von seiner Tragweite noch nicht wirklich gefasst habe, deshalb auch nicht wirklich durchdrungen bin von dieser Traurigkeit, die mir bisher einzig meine Ratio aufoktroyiert, wobei ich Mittwochnachts durchaus eine Phase hatte, in der das Bewusstsein über ihren Tod mich auch emotional durchdrang und dieser Heulanfall zunächst auch nicht mehr abebben wollte. Gestern früh trug sich eine ähnliche Begebenheit des Gefühlezulassens zu. Seltsam, wenn ich jetzt daran denke, schwappen diese Emotionen auch wieder hoch. Sei es das riesige Nutellaglas, das meine Oma dem Pan zu Weihnachten schenkte, die vielen Quittengeleegläser, die meine Oma bei meinem Onkel in Auftrag gab, um ihm, dem Pan, eine Freude zu machen (meine Oma selbst ging ja nicht mehr einkaufen), von denen hier noch neun Stück stehen. Seien es die Kissen auf dem Sofa, die Strümpfe und die Unterwäsche, die sie schenkte. In allem sah, spürte und vermisste ich sie. Alles hat sie einmal berührt, was jetzt nicht mehr möglich ist. In all dem steckt ein bisschen von meiner geliebten Oma. Ist das nicht sonderbar?

Und als wir gestern das eine Geleeglas in den Kühlschrank stellten, hatte ich das Gefühl, als würde ich meine Oma dort hinein legen, sah es fast als Äquivalent zum Kühlhaus, in dem sie mein Verstand, aber nicht mein Herz (!) wusste. Ist das nicht alles absurd?!
 

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