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Jetzt hat er sie sich tatsächlich geholt. Meine Oma ist tot. Ich kann gar nicht sagen, wie ich mich fühle. Es war furchtbar. Ich kam 20 Minuten zu spät, traf meine Patin auf der Treppe des Krankenhauses, die mich zu der Türe des Zimmers führte, in dem bereits meine Mutter, meine beiden Onkel, mein Opa und meine Schwester Abschied nahmen. In meinem 36-jährigen Leben habe ich noch niemals eine toten Menschen gesehen. Ich hatte Angst, die Tür zu öffnen, wusste nicht, wie ich reagieren würde.
Dann ging die Tür plötzlich von innen auf, wobei ich gar nicht mehr sagen kann, wer mir entgegen kam. Ich schritt hinein ...

Es fiel mir schwer, in diesem bleichen Etwas, dessen Mund – fast wie vom Entsetzen durchdrungen - weit geöffnet war, auch wenn sich das grausam anhören mag, meine Oma wieder zu finden. Gütiger Himmel, war das sie? Ihre Hände verloren zunehmend an Farbe, wurden mit bleibender Verweildauer auch immer kälter. Ich bin noch immer ganz durcheinander, kann das alles noch gar nicht realisieren, erfuhr aber von irgendeinem der Anwesenden, dass zum Zeitpunkt ihres Todes alle ihre drei Kinder, sprich meine Mutter und meine beiden Onkel, bei ihr waren. Meine Schwester versuchte zeitgleich noch meinen Opa zu holen (Hin- und Rückweg zum Krankenhaus von ihm nimmt ca. 20 Minuten in Anspruch), doch auch sie kamen zu spät. Meine Schwester rang um Fassung, mein einer Onkel (Alex), der, der meine Oma auch zu Hause pflegen wollte, entwich sie in einem erbitterten Heulkrampf, der nahezu alle Umstehenden auch zwangsläufig dazu brachte, wieder zu weinen. „Tschüss Mamme“, hatte er gesagt und wollte mit einem letzten Abschiedskuss das Zimmer verlassen, bis es aus ihm herausbrach, er meine Oma umarmte und sie nicht mehr zu küssen aufhörte, bis meine Schwester und die später noch dazu gekommene Großnichte ihn von ihr losrissen.

Nicht sehr viel später kam mein Bruder, der froh war, wie so viele andere auch, dass meine Oma nun endlich von ihrem Leiden erlöst ist. Er streichelte ihr über die Wange und sagte leise und unter Tränen „Adieu“, was so rührend war, dass wir, die Umstehenden, ebenfalls wieder zu weinen begannen.

Der einzige, der nicht in der Lage ist, Gefühle zu zeigen, ist mein Opa. Er kann es einfach nicht. Er meint es definitiv nicht böse, weiß aber nicht, wie er damit umgehen soll. Schon von jeher. Er blieb sachlich, zurückhaltend. „Aus der Traum“, war neben der Frage, ob der Schrank im Krankenhaus ausgeräumt sei und Themen, die die Bestattung betreffen, das einzige, was ihm diese Tragödie betreffend, über die Lippen huschte. Und doch wissen wir, die Familie, dass ihm der Tod seiner Frau, sehr nahe geht. In den Arm nehmen lässt er sich aber auch nicht. Dafür ist er zu schüchtern – ganz ehrlich!

Alex erzählte mir auch, dass meine Oma heute den ganzen Nachmittag das kleine, faustgroße, rote Steinherz, das ich ihr vor etlichen Wochen – gleich zu Beginn ihrer Krebsdiagnose – mitbrachte, um ihr damit zu signalisieren, dass ich mit meinem Herzen immer bei ihr sei, auch wenn ich persönlich nicht anwesend sein könne, in der Hand hielt, es auch nicht mehr losließ. Sie hatte es im übrigen immer in ihrer Nähe, nahm es auch jedes Mal mit ins Krankenhaus und selbst als sie schon sehr geschwächt zuhause war, lag es immer nur eine Handlänge von ihr entfernt. Alex fragte mich, ob ich das Herz und meine für sie selbst gebastelte persönliche Sorgen- und Nöte-Schachtel als Andenken an sie haben wollte, was ich natürlich verneinte. Für mich ist klar, dass das Beigaben für den Sarg sind, sofern das die Bestatter erlauben, denn mein Herz soll immer bei sein, auch über den Tod hinaus.

Nächsten Freitag wäre die gütigste Frau, die ich in meinem Leben kennengelernt habe, 84 Jahre alt geworden. Zu ihrem Glück hat sie ihn nicht mehr erleben müssen. Die Umstände wären alles andere als feierlich gewesen.

Und trotzdem, ... jetzt ist sie einfach weg. Ich habe das Gefühl, als müsste ich mein Leben nun neu ordnen.

Irgendwann kamen die Pfleger, haben uns gebeten, das Zimmer für eine Viertelstunde zu verlassen, damit sie meine Oma „fertig“ machen können. Sie kamen zu dritt ins Zimmer, hatten Handschuhe an.

Im Anschluss nahmen meine Schwester, meine Mutter, meine Großnichte und ich noch einmal persönlich und jeder für sich alleine Abschied von meiner Oma. Den Mund hatten sie ihr inzwischen mit Mullbinden um den Kopf herum zugebunden, was so lange gemacht wird, bis die Totenstarre durchdringend eingetreten ist (dann bleibt der Mund später auch zu). Auf mich wirkte es vom Anblick her ein wenig so, als ob sie Zahnschmerzen hätte. Meine Schwester war die erste, die ein allerletztes Mal persönlichen Abschied von meiner Oma nahm. Als ich in das Zimmer ging, die Türe hinter mir schloss, mit dieser toten Person, die meiner Oma optisch annäherungsweise glich, alleine war, überkam mich Angst. Ich konnte mich nicht dagegen wehren, fand das meiner Oma gegenüber auch unfair, wollte etwas Liebes sagen, doch ich war so durchdrungen von dieser Angst, dass sie mein Herz beengte und mich zum weiteren Weinen veranlasste. Ich versuchte mich zusammenzureißen, erinnerte mich zwanghaft an Worte, die ich ihr einst im wachen Bewusstsein mitteilte, damals, als mein Herz mir die Worte von ganz alleine auftrug. Ich wollte nicht, dass sie die Angst spürte. Das hatte sie nicht verdient, hätte sie traurig gemacht, weil meine Oma mit Sicherheit die allerletzte Person auf Erden ist war, vor der man Angst haben muss.

Wenn ihr Geist, ihre Seele oder wie auch immer man das Verbleibende bezeichnen mag, vorausgesetzt es gibt es, irgendwo noch existieren sollte, hoffe ich, dass es ihr jetzt dort, wo sie ist, besser gehen mag und sie nicht traurig ist, weil sie uns zurückgelassen hat. Ich möchte nur nicht, dass sie sich dort, wo sie ist, alleine fühlt!

Wenn es ihr gut geht, lasse ich sie gerne gehen.
Perdi meinte am 17. Aug, 23:34:
Mein Beileid!
SternchenJG meinte am 18. Aug, 06:54:
Mein Beileid!
Liebe Patty!
Da wo Deine Oma jetzt ist, hat sie es sicher besser. Sie wird jetzt auf Dich aufpassen. Hab keine Angst, ich bin überzeugt, sie ist immer noch da, wenn auch nicht mehr körperlich. Und sei nicht traurig, dass Du zu spät gekommen bist. Sie wusste, dass Du bei ihr bist. Nicht umsonst hat sie Dein "Herz" die ganze Zeit gehalten.

Ich wünsch Dir alle Kraft der Welt, um die schwere Zeit zu überstehen. Ich bin in Gedanken bei Dir!!! 
 

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