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Im Moment ist meine Mutter mit meinen beiden Onkeln beim Bestatter. Mein Onkel hat mich schon mehrfach auf dem Handy zu erreichen versucht, doch ich schaffe es nicht, ans Telefon zu gehen. Ich habe einfach Angst, dass mich deren Kummer erdrückt. Es mag egoistisch sein, aber ich muss und möchte irgendwie erst einmal selbst damit klarkommen. Gespürt habe ich diesen Impuls heute Morgen, als ich mit meiner Mutter gesprochen habe, die natürlich und verständlicherweise geweint hat. Ich mag mir da aber keine Blöße geben und wenn es noch so menschlich und mitfühlend ist. Was ich fühle, soll niemand sehen.

Es fällt mir relativ leicht, es (weitestgehend) anonym in meinen Blog oder via SMS kundzutun, was vermutlich daran liegt, weil hier noch die schützende Distanz zwischen Sender und Empfänger ist. Das Gleiche jemanden von Angesicht zu Angesicht mitzuteilen, fällt mir hingegen unglaublich schwer, ist meistens auch unmöglich. Selbst der Pan liest manchmal in meinem Blog, wenn er wissen möchte, wie es mir wirklich geht.

Ich vermute, dass die Beerdigung am Montag oder am Dienstag ist. Meine Mutter meinte heute Morgen, dass sie meinen Opa - als Mann des Berges - in seiner typischen Wanderkluft (Knickerbocker, grüne Kniestrümpfe, kariertem Hemd, Wanderschuhe und Hut mit Gamsbart) zu Grabe tragen lassen wollen. Es wäre ihm sicherlich Recht, wobei ich Angst habe, dass der Bestatter des Hutes wegen vielleicht Probleme macht.

Was Alex, meinen einen Onkel, der schon seit dem Tod meiner Oma absolut jegliche Lebensfreude verloren hat, betrifft, fürchte nicht nur ich, dass er sich nun tatsächlich das Leben nimmt. In der Nacht, als meine Oma damals ging, hat er sich einen ganzen Stapel ihrer Morphiumtabletten eingeworfen und wollte vom Balkon springen. Die letzte Nacht war meine Mutter, sein Bruder und eine Cousine bei ihm. Ich weiß nicht, was die Zukunft für ihn noch bereithält. Unter der Woche wohnt und arbeitet er 130 Kilometer entfernt. Er ist 50 Jahre, ohne eigene Familie, hat Zeit seines Lebens fast jedes Wochenende bei seinen Eltern verbracht. Eigentlich müsste er eine Therapie machen, aber das will er nicht. Zwingen kann ihn auch niemand. Genauso wenig wie ihn unter der Woche schützen. Nach dem Tod meiner Oma hat er sich komplett auf meinen Opa und die Grabpflege seiner Mutter fixiert. Er fühlte sich für meinen Opa verantwortlich, er wurde gebraucht, was ihm sicherlich auch ganz gut tat. Aber jetzt ist dieser Halt weggebrochen. Meine Mutter meinte heute Vormittag ebenfalls - ich äußerte meinen Gedanken des Suizids nicht -, dass sie sich diesbezüglich große Sorgen macht. Gestern hätte Alex auch schon wieder gesagt, dass er vom Balkon springen möchte.

Auch das, so grausam es klingt, würde mich inzwischen nicht mehr wundern. Vielleicht ist der Tod manchmal wirklich eine Erlösung – und das nicht nur für die, die vom Krebs oder anderen Krankheiten, in welcher Art auch immer, zerfressen sind? Nicht umsonst werden Menschen bei Operationen in Narkose versetzt, weil der Schlaf den Schmerz ausblendet. Vielleicht glauben oder hoffen jene, die des Lebens müde sind, mit ihrem selbst herbeigeführten Tod so etwas Ähnliches zu erreichen: dauerhaften Schlaf, der den Schmerz für immer tilgt.

Die Information, dass mein Opa gestorben ist, schwappt inzwischen wie eine immer wiederkehrende Welle vollen Kummers an den Strand meines Bewusstseins. Ich spüre aber auch, wie sie nach einer gewissen Zeit wieder zurückläuft, der Schmerz abebbt, vielleicht weil ich zu verdrängen suche, um nicht wahrzuhaben, was wahr ist. Vielleicht handelt es sich aber auch um einen gesunden Mechanismus, der - in der Regel - nur so viel Schmerz zulässt, dass der jeweils Fühlende nicht daran zerbricht. Ich weiß es nicht.

Gerade eben habe ich mich gefragt, wo mein Opa denn genau jetzt liegt. Klar, im Krankenhaus, aber wo? Im Kühlfach? Geht das so schnell? Vermutlich schon. Nein, ich sollte diese Gedanken nicht zulassen.

Nein, die Welt ist auch heute nicht stehen geblieben, bloß weil jemand aus meinem Familienkreis gestorben ist. Ich hatte mich schon damals bei meiner Oma gewundert. Gefühlt war mir so danach. Ich hätte es zumindest nicht für fragwürdig oder verwunderlich gehalten, aber in dieser Hinsicht ist das Leben gnadenlos. Andererseits sagt mir meine Vernunft natürlich auch, dass die Welt gar nicht mehr aus dem Stillstand herauskäme, wenn sie jedes Mal stehen bliebe, wenn jemand stirbt, dessen Verlust bei den Angehörigen eine riesige Lücke zurücklässt. Fakt ist, dass für uns, die Familie, seit dem Tod meiner Oma 2003 eine neue Zeitrechnung begonnen hat.

In den Fluten des mit den Gefühlen ringenden Meeres formiert sie, die Welle, sich schließlich neu, um mit aller Wucht auf das Ufer der Sprachlosigkeit zu peitschen.

Jetzt sind sie beide weg. Ich allein. Ohne Großeltern. Damit muss ich erstmal klarkommen. Ist er wirklich tot? Ganz tot? So endgültig, ohne Rückfahrschein ins Leben? Und wieder ist ein Stück prägendes und unersetzliches Ich aus mir herausgebrochen. Jetzt hilft mir nur noch mein Erinnerungsvermögen und Fotos, sich ihn zu mir zu holen. Ob er Schmerzen hatte? Ob er spürte, dass seine Kinder nur durch die Tür von ihm getrennt waren, während er einsam in den Händen der Ärzte starb? Ob er deswegen traurig war? Was mag ihm wohl durch den Kopf gegangen sein?

Mein Opa ist weg.

Dieser kurze Satz mag für die wenigsten von Bedeutung sein, für mich ist diese Welt jetzt aber nicht mehr so wie vorher. Es wird gewiss so gut wie niemand merken, aber für mich ist es auf diesem Planeten wieder ein Stück dunkler geworden. Ja, ich werde an seinem Tod nicht zerbrechen, das mag schon sein. Ich werde weiterleben. Irgendwie. Werde gewiss auch wieder lachen, aber das Opa-Licht, das meine eigene Dunkelheit in gewissen Ecken erleuchtete, wird für immer erloschen sein. Und ihn mittels einer anderen Glühbirne zu ersetzen, funktioniert nicht, da er seine ganz eigene und ganz besondere Fassung hatte.

Wo auch immer Du gerade sein magst, geliebter Opa, vielleicht hat Dich Oma heute Nachmittag an die Hand genommen und war da, als Du gegangen bist. Ich hoffe, dass es so war, denn das wäre ein tröstlicher Gedanke. Verzeih, dass ich gestern nicht feinfühlig genug war, den Ernst der Lage zu erkennen und alle Folgetermine habe sausen lassen, um Dich noch einmal leibhaftig zu sehen, zu sprechen und zu herzen. Ich bin so froh, dass Dir heute wenigstens noch Carmine hat mitteilen können, dass wir da waren und mir dein Weihnachtsgeschenk gefallen hat, obwohl ich so gerne selbst Danke gesagt hätte.

Du Opa: ich liebe Dich.

39 Jahre hat er mich durch mein Leben begleitet, heute Nachmittag ist mein Opa von uns gegangen. Angeschlagen war er ja schon eine ganze zeitlang. Wenn alles gut gegangen wäre, hätte er am 13. Januar die zwingend notwendige Herz-OP bekommen, die seit vorgestern – nach seiner dramatischen mitternächtlichen Einlieferung ins Krankenhaus, bei der sich der Notarzt für ihn „den Arsch aufgerissen hat“ (kaum zu glauben, dass ein Notarzt, wobei ich hier nur von diesem einen spreche, so etwas zu einem Patienten sagt, der nicht mit ins Krankenhaus möchte und seinem Ärger auch noch dadurch Ausdruck verleiht, dass er dem Patienten die mit Gummi befestigte Beatmungsmaske vom Gesicht nimmt und wieder zurückschnalzen lässt) - aber sowieso offen im Raum stand. Er war schwach. Sehr schwach. Verlor mit dem Stuhl viel Blut, so viel, dass er von der Toilette nicht mehr alleine aufstehen konnte. Der darauf hin mittags erschienene Hausarzt meinte lediglich, dass man das beobachten soll und wenn es morgen noch anhalten würde, müsse man ihn ins Krankenhaus einweisen. Nachts brach er dann völlig zusammen.

Ich getraue mich es kaum zu schreiben, weil ich fürchte, dass man mir die folgenden Zeilen nicht glaubt, vielleicht würde ich sie selbst nicht glauben, wenn ich sie anderweitig lesen würde. Da aber mein Bruder, meine Mutter und mein Onkel allesamt mit vor Ort waren und alle drei das gleiche sagen, es ja auch keinen Grund gibt, mich diesbezüglich zu belügen oder zu dramatisieren, wenngleich man vielleicht ungewollt dazu neigt, wenn man selbst emotional involviert ist, glaube ich deren Auskünften. Als sie zu dritt meinen Opa nicht mehr „aufpeppeln“ konnten, riefen sie nachts die Leitstelle (112) an. Der Mann am anderen Ende fing mit meinem Onkel erst einmal eine Grundsatzdiskussion über die Notwendigkeit eines nächtlichen Einsatzes an, was meine Mutter nach zwei Minuten dermaßen erboste, dass sie den Hörer in die Hand nahm, um endlich Hilfe zu erhalten, während mein Opa weiter nach Luft röchelte. Als auch sie nicht weiter kam, platzte meinen Bruder nach zwei weiteren Minuten Diskussion der Kragen. Er nahm den Hörer und schrie hinein, dass hier jemand gerade im Sterben liege und sie Hilfe bräuchten. Erst dann fragte der Mann am anderen Ende nach der Adresse. Rund vier Minuten später kam der Notarzt und dann der Krankenwagen. Das war in der Nacht vom 23. auf den 24. Dezember. Seitdem lag mein Opa auf der Intensivstation. Sein Problem mit dem Herz war die eine Geschichte. Die mit dem blutendem Darm die andere. In der ersten Nacht haben sie ihm acht Beutel Blut zugeführt, heute noch mal zwölf. Den Kampf mit dem Leben hat er trotzdem verloren.

Jemanden an Weihnachten, dem Fest der Liebe, zu verlieren, finde ich persönlich irgendwie noch schmerzlicher als an jedem anderen Tag im Jahr.

Am allerschlimmsten ist die Tatsache, dass wir, der Pan und ich, ihn gestern besuchen wollten. Im Krankenhaus 45 Minuten vor der Intensivstation warteten, dort nicht eingelassen wurden und just zu dem Zeitpunkt, als wir endlich zu ihm gekonnt hätten, gehen mussten, weil noch drei weitere Termine anstanden. Wenn ich auch nur geahnt hätte, wie schlimm es um ihn steht! Ich hatte die Stationsschwester sogar noch gefragt, wie es ihm gehe und ob er über Nacht stirbt, worauf sie sagte, dass er soweit stabil sei und er die Nacht überlebe, man andererseits natürlich nie eine Garantie geben könne bei älteren Menschen.

81 Jahre ist er geworden. Ich habe ihn zuletzt am Muttertag gesehen und mache mir bezüglich gestern große Vorwürfe. Andererseits stand ich innerlich total unter Druck. Mein einer Onkel, der das Essen für die Familie gekocht hatte, weigerte sich das Essen zu meinen Eltern (hier wollten wir zusammen feiern) vorzutragen, solange ich nicht bei ihm war und mich von ihm bescheren habe lassen. Geplant war das Essen bei meinen Eltern um 19 Uhr. Bis spätestens 18.30 Uhr musste ich bei meiner Schwester, die gestern auch noch Geburtstag hatte, sein. Die Gründe dafür näher zu erläutern, warum sie zum Beispiel abends nicht auch bei meinen Eltern ist, würde an dieser Stelle zu weit führen, die Kurzfassung lautet: sie lässt sich gerade scheiden und zieht diese Woche um. Also hetzten wir vom Krankenhaus zu meiner Schwester und von dort zu meinem Onkel, um im Anschluss zu meinen Eltern zu eilen, schließlich wollte ich nicht dafür verantwortlich sein, dass andere meinetwegen hungern müssen („Weihnachten fällt flach, wenn Du vorher nicht deine Geschenke abholst“, hieß es im Originalzitat), schließlich war das Essen ursprünglich um 17 Uhr angesetzt, durch den Krankenhausaufenthalt meines Opas aber nach hinten verschoben worden. Meine Laune war auf dem Nullpunkt.

Mein Bruder hat heute Mittag als einziger noch meinen Opa lebend gesehen. Als der Arzt ihm mitteilte, wie schlecht es um ihn stünde und er daraufhin meine beiden Onkel und meine Ma anrief, jene ins Krankenhaus hasteten, durften sie schon nicht mehr zu ihm, weil die Ärzte gerade mit seinem Leben kämpften. Danach war er tot!

Mein Bruder meinte vorhin, dass ich froh sein soll, dass ich meinen Opa die beiden letzten Tage nicht mehr gesehen hätte, weil ich ihn nicht mehr wieder erkannt hätte. So würde er weitestgehend vital in meiner Erinnerung fortleben. Ich hätte das aber gerne in Kauf genommen, um noch mal seine Hand zu halten, ihm zu zeigen, dass ich ihn lieb habe oder auch einfach nur, um ihm ein Küsschen zu geben. Jetzt werde ich dazu keine Gelegenheit mehr haben. Davon abgesehen sah meine vom Krebs gezeichnete Oma vor drei Jahren in ihren letzten Tagen auch überhaupt nicht mehr wie sie aus. Was an Erinnerung an sie bleibt, ist aber trotzdem ausnahmslos nur schön.

Was für ein grausames Weihnachten, über dem nun in alle Zukunft ein tödlicher Schatten liegt.

Dauerhaft immer alles zu geben und doch nie genug oder gut zu sein, zehrt an den (ohnehin nicht vorhandenen) Kräften. Ich fühle mich so falsch, so unrichtig, so deplatziert, so als ob man etwas anderes für mich geplant hätte, ich vielleicht Fisch oder Vogel hätte werden sollen oder auch ganz einfach nur ein Kieselstein, aber definitiv nicht Mensch. Alles, aber eben nicht Mensch, da diese Rolle so unendlich mit Leid und existentiellen Zweifeln einhergeht, die in dieser Vehemenz und Kontinuität einfach nicht im „Plan Mensch“ vorhergesehen sein können.

Selbst dem, was ich fühle, kann ich nicht trauen, weil das damit zusammenhängende Feedback meiner Außenwelt nahezu immer konträr ist, weswegen ich meine Emotionen nicht mehr als verlässliche Ratgeber betrachte beziehungsweise sie nicht mehr kundtue, um nicht anzuecken, zumindest nicht offensichtlich. Die Frage, ob man falsch fühlen kann, beantworte ich mir inzwischen mit Ja, wobei ich diese Annahme aber ausnahmslos auf mich, das Etwas im Menschenkostüm, anwende und niemals von anderen auch nur denken könnte. Inzwischen ist es sogar so schlimm, dass ich mich nicht mehr zu sagen getraue, was ich wirklich denke und fühle, weil das sowieso trügerisch ist und nicht im Bereich des geistigen und empfindsamen Möglichen der Erdengeschöpfe liegt.

Das, was ich fühle, scheint die Bandbreite dessen, was die hiesigen Individuen fühlen und denken, zu sprengen. Nein, ich glaube, das trifft nicht wirklich den Punkt, klingt stattdessen, wenn man den Lichtkegel des Missverstehens nur weit genug dreht, auch einfach nur arrogant und erhebt mich Winzling zu etwas, was ich definitiv nicht bin. Vielleicht ist es eher so, dass meine Gedanken und Gefühle auf anderen Spuren laufen, Spuren abseits der Norm, so als führe ich als Geisterfahrer - verfolgt von der Gefühlspolizei, die mich gesetzbrechendes Subjekt aus dem Verkehr ziehen möchte - auf der Emotions-Autobahn.

Ich führe ein viel zu einsames Leben in meiner eigenen Gedankenwelt, als dass ich Freude am Hiersein haben könnte. Heute Morgen, ja schon die ganzen vergangenen zwei Wochen, kam einmal mehr der Gedanke an das Ende hoch. Ich würde niemandem mehr zur Last fallen, wäre nicht länger Außenseiter, Egoist, Lügner und Falsch-Fühler. Wenn ich nur wüsste, was danach kommt. Werden sich meine selbstzerstörenden Gedanken in Luft auflösen, ich nichts mehr fühlen müssen? Wird alles Sein, das mich einmal ausmachte, wie eine Seifenblase zerplatzen? Oder wird etwas übrig bleiben, das den vorzeitigen Tod sinnlos macht, weil keine Erleichterung damit einhergeht?

Es gibt Tage, an denen ich mir selbst gar nicht so wehtun kann, dass ich mich danach wieder besser fühle. Es ist grausam, wenn der größte Feind in einem selbst steckt und man weder die Mittel noch die Kraft hat, gegen sich selbst anzugehen. Ich kann mir willentlich noch nicht einmal aus dem Weg gehen, bürde mich mir selbst auf. Immer und überall. Ich werde nie ein Teil vom Ganzen sein, kann auch nicht so tun, als ob es so wäre. Ich bin ein gefühlter Kreis und ecke trotzdem an, spüre den Flügelschlag eines Schmetterlings, der mir wie ein Erdbeben erscheint und den Boden unter den Füßen wegzieht. Ich werde wohl nie dazugehören, weiß auch nicht, ob ich das wollte, aber vielleicht wäre allein die Möglichkeitsform eine tröstliche Idee.

Irgendwann wird es keine Zukunft mehr geben, denn irgendwann werden selbst die letzten Gedanken zu Grabe getragen, die außer einer öden und lebensfeindlichen Wüste nichts zurücklassen. Ja, irgendwann wird alles bedeutungslos und damit in letzter Konsequenz letztlich auch leichter …

Die gesamte Woche im Büro verlief echt stressig, weil in kurzer Zeit noch ein neues Projekt durchgeboxt werden muss, bei dem sich unerwartet viele Probleme und Widerstände auftaten. Deadline ist nächsten Freitag, doch wir wollen schon am Mittwoch, 10. Dezember, fertig sein. Egal.

Am Dienstag begann meine Laune zu sinken, am Mittwoch ging ich mit Widerwillen in den Verlag, am Donnerstag platzte mir schließlich der Kragen, was für mich sehr ungewöhnlich ist. Ich will das an dieser Stelle auch gar nicht im Detail ausführen, sondern eher ein wenig die emotionalen Rahmenbedingungen beschreiben, die zudem mit sehr wenig Schlaf einhergingen und insofern zusätzlich stimmungsabträglich waren. Klar herrschte nicht ausnahmslos Missmut, aber ein wenig Grund-Verdrossenheit war dennoch zu spüren, selbst bei der Praktikantin (19), die für mich den Freitag zu einem Licht im Dunkel hat werden lassen, als sie mich auf süße 26 Jahre schätzte. Ist das zu glauben?

Dass nächstes Jahr die böse Zahl mit der 4 am Anfang auf mich zukommt, habe ich ihr nicht gesagt, aber doch, dass schon eine 3 mein Lebensjahrzehnt bestimmt.

Ich weiß zwar nicht, was ich Besonderes geleistet habe, aber heute Morgen fand ich nach dem Erwachen folgende SMS eines langjährigen Freundes, mit dem ich eigentlich nur noch sporadischen, aber immer herzlichen Kontakt habe, auf meinem Handy.

„Du bist ein Stück vom Glück, es tut so gut, dass du bist, dass es dich gibt - der Wohlfühlgedanke am Morgen. Ich genieße deine Freundschaft, es tut so gut“

Feinsinnige Anmache? Mitnichten! Nein. Er hat dieses Jahr geheiratet, ist sogar so glücklich, als wüchsen in seinem Garten Abertausende vierblättrige Kleeblätter oder als sei er der Schornsteinfeger, der die Taschen voller Glückspfennige hat, persönlich.

Freundschaft ist schon etwas unendlich Kostbares, deren Verdienst Menschen allesamt auf die gleiche Stufe stellt, weil sie frei von äußeren Zwängen ist und ausnahmslos auf dem Prinzip wahrer Werte basiert.

Ich muss zugeben, dass ich geschmeichelt bin, wenngleich ich mir noch immer nicht erklären kann, wie ich oben stehende Zeilen „verdient“ habe.

Sonnenuntergang in ArizonaWieder zurück vom Urlaub der Extreme, der uns in 15 Tagen 5.700 Kilometer durch Arizona, New Mexiko, Kalifornien und sogar bis nach Texas führte. Aber nicht nur die Fahrstrecke war dieses Jahr außergewöhnlich lang (vergangenes Jahr fuhren wir in der gleichen Zeit 4.100 Kilometer), nein, vielmehr auch die Temperaturunterschiede in den einzelnen besuchten Orten, die beispielsweise in Gallup an einem Tag 30 Grad ausmachen können. In unserem speziellen Fall waren es morgens -12 Grad und am Mittag angenehme 18. Wahnsinn!
Haben mich Kakteen, vor allen Dingen die Saguaros, anfänglich noch komplett in den Bann gezogen und auf der Suche nach einem geeigneten Motiv – trotz technisch defekter Kamera - auch in den Bergen umherklettern lassen, verstand ich schon nach kurzer Zeit, dass in Arizona nicht minder viele Kakteen wachsen als hierzulande beispielsweise Gänseblümchen. Nachdem wir ein paar Tage durch karge Wüstenlandschaften gefahren sind, begriff ich, dass es noch REICHLICH Gelegenheit geben würde, einen Kaktus zu fotografieren. Wenn ich zu einer Mutmaßung neigen darf (um jetzt mal schnell 1800 Bilder durchzusehen, bin ich doch zu müde), dann wohl zu jener, dass die stachligen Freunde auf jeden Fall mit eines meiner am meisten fotografierten Motive sind.

Richtig beeindruckt haben mich im Urlaub aber vor allen Dingen drei Sehenswürdigkeiten:

1) Das White Sands National Monument, laut Reiseführer übrigens die größte Gipswüste der Welt, die schon in vielen Wildwestfilmen den Bösewichten zum Verhängnis wurde. Erstaunlich finde ich hier den schneeweißen Sand und die grandiosen Dünen, auf denen man bei einem Blick in die Ferne einer Sinnestäuschung unterliegt, nämlich jener, sich mitten im Schnee zu befinden.

White Sands National Monument: Schnee oder doch Sand?
2) Der Petrified Forest National Park, von dem ich zunächst „nur“ annahm, dass er Millionen Jahre alte Geschichte in Form von versteinerten Baumstämmen beherbergt, aber weit gefehlt. Im „Blue Mesa“ windet sich ein gangbarer Trail durch hügelige, farbenauffällige Landschaft, vornehmlich durch Berge, die dieser von weiß über lila bis hin zu blaugrauen Szenerie einen ganz unheimlichen und befremdlichen, ja sogar fast außerirdisch anmutenden Touch verleiht. Ich dachte ernsthaft ich sei auf dem Mond, was niemand, der diesen Trail nicht selbst gegangen ist, belächeln sollte.

Patrified Forest National Park: Leider sieht man in diesem Bild die Farbkontraste nicht so gut, im Realen sind sie spektakulär

3) Das Getty Center in Los Angeles, das als Museum etwa 50.000 Kunstwerke beherbergt, wobei mich jene vornehmlich klassischen Kunstwerke wie Skulpturen, Gemälde, Zeichnungen, Manuskripte und Fotografien weitaus weniger in den Bann gezogen haben, selbige sogar gar nicht der Grund waren, dorthin zu fahren, als vielmehr die Architektur der Anlage, die hoch über den Bergen Los Angeles thront und von dort einen fantastischen Blick über die Stadt gewährt. Entworfen wurde der futuristische in Weiß und Glas gehaltene Gebäudekomplex übrigens von dem US-amerikanischen Architekten Richard Meier, der für den Bau des Centers aus Italien auch extra 16000 Tonnen Travertin-Kalkstein importieren ließ. Atemberaubend ist diese Kulisse vor allen Dingen auch zu Sonnenuntergang oder ganz allgemein, wenn der Himmel ein sattes, aber sonniges Blau aufweist. Der Kontrast der Fotos ist unter diesen Umständen einfach genial.

Getty Center in Los Angeles

Klar gab es auch noch vieles andere, über das es zu berichten lohnt, auch dass ich versehentlich einen Emergency Call während der Fahrt ausgelöst habe und plötzlich mit dem Rückspiegel im Fahrzeug kommunizieren musste, aber für heute will ich es mit diesen ersten Informationen belassen

 

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