Aeltere Beitraege von blogger de
Aergerlich
Angst
Aus der Welt der Nachrichten
Des Lebens muede
Ein neuer Tag
einsam & verlassen
Familie
Freizeit
Freude
Job
Kaum zu glauben
Kino
Kurioses
Nicht von dieser Welt
Omas Krebs
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
icon

 
Die Freude währte nur kurz: Von Freitag bis heute, Montag. Jetzt liegt sie wieder im Krankenhaus: meine Oma.

Das Entsetzen scheint kein Ende zu kennen, es malträtiert sie und damit auch uns, die Familie, mittelbar. Als ich heute Mittag mit meiner Mutter telefonierte, erzählte sie mir, dass meine Oma, die Frau, die verletzendes Verhalten höchstens aus schlechten Filmen kennt, meinen Opa während eines Gefechts das Hemd zerrissen habe. Sie habe ihn angeschrieen, zudem auch gespuckt.

Mein armer Opa.

Ich hoffe, er weiß zu differenzieren, dass dieses Verhalten nicht seine Frau ist. Und trotzdem – es muss schockierend sein. Am Nachmittag schrie meine Oma das ganze Haus zusammen. Alle wollen sie umbringen. Sie fragte nach meinem Vater, den mein Opa auch sofort alarmierte. Als er dann da war, flehte sie ihn ca. fünf Minuten an, ihr zu helfen. „Hilf mir, hiiiiiilf mir, kreischte sie, „die wollen mich alle umbringen“. Er wollte ihr etwas zu trinken geben. Sie schlug im das Glas aus der Hand, brüllte: „Du Mörder, Du hast Deine Frau geschlagen, hau ab.“

Dann tobte sie weiter um Hilfe schreiend.

Die Hausärztin kam, wollte ihr eine Beruhigungsspritze geben. Mein Oma bäumte sich jedoch mit aller Macht dagegen auf. Mein Opa und mein Vater mussten sie gewaltsam festhalten, um der Ärztin überhaupt die Möglichkeit zu geben, an ihren Arm zu gelangen. Mein Vater wurde beauftragt, Medikamente zu holen. In einer halben Stunde sei alles vorbei, meinte die Ärztin, die erläuterte, dass diese Reaktionen einerseits von den Medikamenten, andererseits vielleicht auch daher rühren könnten, dass der Tumor ihr schon zu Kopf gestiegen sei, wobei letzteres die Aussage von meinem Onkel war, der diese Information wiederum von meinem Opa hat, was möglicherweise bedeutet, dass sie ein wenig entfremdet ist, was ich deshalb sage, weil es mir unmöglich scheint, dass der Tumor von der Bauchspeicheldrüse in diese Rasanz so gewachsen sein kann. Gestreute Metastasen mögen inzwischen sicherlich auch im Kopfbereich sein, aber gleich der ganze Tumor? Im Mai war er, soweit ich mich entsinne, 7 x 8 cm groß. Wie auch immer, es ändert ja sowieso nichts ...

Lange Rede, kurzer Sinn: Sie kam wieder ins Krankenhaus.

... bin jetzt am Warten auf meine Mutter, die derzeit noch vor Ort ist. Eigentlich muss ich noch einen Artikel schreiben, doch ich kann mich einfach nicht konzentrieren.

Ich kann mich nicht mehr beruhigen, muss ständig an das nicht mehr lebenswerte Sein meiner Oma, die noch vor drei Monaten eine so starke und liebenswerte Persönlichkeit besaß, denken. Was ist von ihr geblieben? Sie kämpft einen Kampf gegen sich selbst, gegen den wütenden Krebs in ihr, gegen die Medikamente, die ihr Verhalten und ihr Bewusstsein beeinflussen. Keine Frage, ich liebe sie natürlich ungemindert, aber was ist das noch für ein Leben?
Durch meinen Fuß des Gehens relativ beeinträchtigt, aber auch wegen eskalierenden partnerschaftlichen Disharmonien haben wir meine Oma dieses Wochenende nicht besucht. Von meiner Mutter erfuhr ich gestern Abend, dass meine Oma sich inzwischen wund gelegen hätte. Da ich den Begriff nur den Namen nach kannte, mir plastisch aber recht wenig darunter vorstellen konnte, habe ich mich eben noch schnell bei google in der Bildersuche unter „Dekubitus“ eingelesen, besser eingeschaut, um mich dann mit Erschaudern und großem Bedauern darüber, dass diese Pein meiner Oma jetzt leider auch nicht erspart bleibt, davon abzuwenden.

Als Erläuterung zum Dekubitus (Wundliegen) fand ich unter anderem Folgendes:

Ein Dekubitus verursacht dem Patienten permanent starke Schmerzen, die oft nur mit entsprechenden Schmerzmitteln zu stillen sind. Jede Bewegung und Aktivität wird zur Qual. Der in der Regel zwei- bis dreimal täglich stattfindende Verbandswechsel stellt sowohl für den Patienten als auch für die entsprechende Pflegekraft eine enorme Belastung dar. Die Therapie eines Druckgeschwürs nimmt häufig Monate in Anspruch. Neben den Schmerzen bewirkt ein Dekubitus eine starke psychische Belastung. Patienten äußern sich oft in der Form, dass sie sich vorkämen, als verfaulten sie am lebendigen Leibe. Der Kontakt zu anderen Menschen, häufig selbst zu nächsten Angehörigen, wird gemieden. Depressionen sind oft die Folge.

Zumindest die monatelange Heilung ihres Druckgeschwürs wird ihr aufgrund der Schwere ihrer Krankheit erspart bleiben. Mein Vater sagte gestern, dass er ihren Tod spüre. Meine Mutter berichtete von einem schlechten Tag gestern, von Depressionen. Nachdem meine Oma am Freitag aus dem Krankenhaus kam, sie über Nacht mehrfach einnässte, was für die Beteiligten insofern anstrengend war, als dass sie das Bett mehrfach be- und meine Oma mehrfach umziehen mussten, hat sie seit Samstag wieder einen Katheder. Trinken täte sie so gut wie nichts, selbst unter größter Mühsal und diverser Bemühungen der unterschiedlichsten Personen würde sie kaum etwas Flüssiges zu sich nehmen, was meine Mutter heute ihrer Hausärztin vortragen möchte, um zu erwirken, dass meine Oma ggf. zuhause an den Tropf gelegt wird.

Wenn ich sie noch einmal sehen wolle, sollte ich mich beeilen, meinte meine Mutter. Gestern hätte meine Oma alle zu sich gerufen, um Abschied zu nehmen ...

Ich habe Angst, will sie nicht gehen lassen, bange, wenn das Telefon klingelt, weil ich mich davor fürchte, DIE unliebsame Nachricht hören zu müssen, weiß, dass sie kommen wird, will sie aber nicht wahrhaben, obwohl das Fürchten davor dann ein Ende hätte.

Ich habe aber auch Angst vor dem, was danach kommt. Die Veränderungen, die damit einhergehen. Mein Opa möchte dann ins Altersheim, erzählte mir meiner Mutter gestern zudem. Weihnachten wird das erste Mal ohne meine Oma stattfinden. Es wird leer sein. Ich könnte bereits jetzt weinen, wenn ich daran denke. Die ganze Familie wird da sein, nur sie nicht. Wenn ich ihr nur helfen könnte.

Nach über 30 Stunden hat mein gestochener (zweitkleinster) Zeh mittlerweile pralle Dimensionen angenommen.

Das Gewölbe vor den Zehen ist zudem von einem Ödem durchdrungen. Wenn ich mir den rechten betroffenen Fuß alleine betrachte, könnte man meinen, ich wiege mindestens 85 (und nicht 45) Kilo.

Mein linker (ungestochener) Fuss zum Vergleich30 Stunden nach dem Wespenstich. Man könnte meinen, ich wiege 85 (und nicht 45) Kilo

War vorhin schon beim Arzt,weil ich dachte, er könnte mir eine abschwellende Spritze geben, damit das Laufen wieder leichter fällt.

Leider vergebens. Ich muss das Ganze Füße hochlegend und kühlend aussitzen, was ca. 3 bis 4 Tage in Anspruch nimmt - die Dauer,die der Körper benötigt um das Gift abzubauen. Als ich ihm erzählte, dass ich die Stichstelle selbst mit einer Nadel zu bearbeiten versucht habe, dabei auch eine gelbe Flüssigkeit herauskam, war er nicht sonderlich erfreut.

Das solle ich tunlichst unterlassen,weil das zu Infektionen und damit einhergehend dann wirklich zu schmerzlichen Entzündungen führen könnte.


Es ist nahezu täglich das gleiche Erleben: Ich erwache und fühle mich ungestreichelt, ersehne Berührungen meiner Haut. Nein, ich spreche nicht von sexuellen Begierden, die mich morgendlich durchfluten, obwohl das vermisste Streicheln vielleicht dazu führen könnte.
Was mir fehlt ist die warme Hand, die spielerisch weich über meinen Rücken fährt, die Hand, die kein Gespür für Zeit kennt, weil sie das, was sie tut, als Vergnügen empfindet, die Hand, die meine Nähe sucht und schätzt, die Hand, die nichts zurückverlangt, die Hand, die ein Mangel empfindet, wenn sie mich nicht berührt, die Hand, die ungefragt „ihrem Terrain“ Behagen bereitet, weil ihr sanftes Tun in vielfältiger Weise die Sinne berührt ...

Meistens bleibe ich noch einen Augenblick liegen, schließe die Augen und spüre das entbehrte Gefühl zumindest gedanklich nach, um mich mit Hilfe meines Vorstellungsvermögens an dem, was mir fehlt, mental zu beflügeln, wobei das lediglich ein recht schwacher Ersatz zur Realität darstellt.


... und während ich den letzten Satz formulierte, hat mich doch tatsächlich eine Wespe in meinen kleinen Zeh gestochen. Im Moment zittere ich am ganzen Körper. Ich hatte total vergessen, wie schmerzlich so ein Stich ist. Es brennt (noch) wie Feuer. Zum Glück habe ich Zwiebeln, wenn auch schon sehr alte, in meinem Kühlschrank.

Ist das der Dank dafür, dass ich den Wespen ihr Nest auf meinem Balkon lasse?

Eine schaffensreiche, turbulente, von unterschiedlichsten Gefühlen geprägte Woche neigt sich zum Glück dem Ende entgegen, womit sich wieder einmal mehr ein Kapitel Urlaubsvertretung schließen lässt, wenngleich ich ab Montag die nächste Urlaubsvertretung zu absolvieren habe. Zeit für meine Oma blieb unter diesen Umständen leider nicht, obwohl ich mich bei meiner Mutter, die sie täglich besucht, über ihr Befinden auf dem Laufenden zu halten versucht habe, und jene mir die kuriosesten Geschichten erzählt hat.
Morgen kommt meine Großmutter wieder mal aus dem Krankenhaus. Am Samstag hat ja auch ihr Mann, sprich mein Opa, Geburtstag, obwohl ich nicht glaube, dass sie das wirklich realisiert (ihren 50. Hochzeitstag am 17. Juli nahm sie auch nur wie im Nebel wahr).

Wie auch immer – wichtig ist, dass sie lebt! Und ich werde sie aller Voraussicht nach am Wochenende wieder sehen, wenn ihr und uns diese Tage mit ihr vergönnt sein sollen.

... und draußen grummelt ein kleines Gewitter sich Gehör verschaffend durch diese wunderbar milde Nacht.

Jetzt steht er unverkennbarer denn je vor der Tür: Der Tod. Inzwischen klopft, nein hämmert, er eindringlich und penetrant, um sich zu holen, was uns, der Familie, so lieb ist: meine Oma.

Es scheint nie Ruhe einzukehren. Heute früh kam meine Oma mit dem Notarzt ins Krankenhaus. Mein Onkel brachte sie so gegen 6 Uhr auf die Toilette, dann brach sie zusammen. Er dachte es sei möglicherweise ein erneuter Schlaganfall, weil sie nicht mehr reagierte, nicht mehr ansprechbar war. Sie bekam keine Luft mehr. Mein Opa öffnete die Fenster in der Hoffnung, dass frischer Sauerstoff vielleicht Besserung brächte, vergebens. Der Notarzt kam, päppelte sie mit „ich-weiß-nicht-was-für-welchen-Infusionen“ wieder auf. Sie hatte kaum noch wahrnehmbaren Puls. Ihr Herz sei sehr schwach. Man solle die Angehörigen verständigen, meinten die Ärzte im Krankenhaus. Der Tumor ist übrigens doch gewachsen. Inzwischen hat er auch eine lebenswichtige (ich weiß zwar nicht welche, aber mein Onkel schilderte es mir vorhin am Telefon) Vene umschlossen.

Ich hasse diesen Tod, diesen furchtbar grausamen Kerl. Wenn er die Tür aufmacht, spucke ich ihm ins Gesicht, doch momentan sind wir alle darum bemüht, die Tür mit Gewalt gegen ihn zu verschließen, auch wenn seine stemmenden Kräfte immer mehr zuzunehmen scheinen.

Mag sein, dass ich notorisch unzufrieden bin, mag sein, dass mich meine eigenen Gedanken, meine Unsicherheit in dieses stimmungsmäßige Tief, das keine Hoffnung mehr zu kennen scheint, treibt.

Vielleicht bin ich nach über 14 Monaten Betriebszugehörigkeit aber auch einfach nur ernüchtert, obwohl ich trotz allem sehr froh bin, diesen Job zu haben. Andererseits könnte es aber auch einfach so sein, dass ich grundsätzlich zu wehleidig bin, auf einem viel zu hohen Niveau jammere?!

Andererseits ist mir meine Lebensfreude, meine Unbeschwertheit verloren gegangen. Für mich Grund genug, darüber betrübt zu sein, weil ich mich auch anders kenne, besser gesagt kannte, dieses Ich aber nicht mehr zu existieren scheint.

Habe das Kind, dessen Leben inzwischen von Arbeit bestimmt wird, in mir verloren. Das Leben nimmt sich mich, nicht ich mir das Leben, wobei ich das in diesem Fall daran partizipierend und nicht existentiell meine.

Ich sehne mich nach der Freiheit meiner Gedanken, der Zeit, in der der Moment zählte und dadurch kostbar wurde.

Wo fange ich an, wo höre ich auf?

„Ich habe gute und schlechte Nachrichten“, meinte mein Onkel gestern, als wir ihn aus dem Krankenhaus kommend trafen.

Die Gute(n): Die Stele, das verbindende Röhrchen zum Ablauf ihrer verstopften Galle, wurde noch(!) nicht gelegt. Noch insofern, als dass die Ärzte einerseits sahen, dass die Säfte der Galle inzwischen wieder fließen würden und sie es andererseits, wenn es nicht zwingend erforderlich sei, sie meiner Oma diesen für sie doch nicht ganz unriskanten Eingriff (wegen der Verabreichung der blutverdünnenden Medikamente, welche sie einst schon einmal abgesetzt hatten, was den Schlaganfall nach sich zog) ersparen wollten. Die Verstopfung könne aber jederzeit wiederkommen und den Eingriff dann nötig machen.
Die andere gute Nachricht sei die, dass der Tumor aufgrund der Chemo nicht mehr weiter wachsen würde. Ich spreche deshalb im Konjunktiv, weil mir meine Mutter noch gestern Abend erzählt hat, dass sie mit dem Arzt, der meiner Oma die Chemo verabreicht hat, gesprochen habe und jener gemeint hätte, dass die Chemo bei meiner Oma nicht ansprechen würde, zumindest bisher noch nicht, der Tumor auch schon in die Galle gewachsen sei, was die Verstopfung selbiger auch erklärt. Ich weiß nicht, mit welchem Arzt mein Onkel gesprochen hat, beschönigen wollte er mir gegenüber aber sicher nichts, dessen bin ich mir sicher.

Die schlechte(n) Nachricht(en): Bei dem eigenständigen Versuch, auf die Toilette zu gehen, versagten meiner Oma die Kräfte in ihren Knien, weshalb sie zu Boden fiel – und das leider sehr unglücklich, so dass sich eine Platzwunde am Kopf, die mit mehreren Stichen genäht werden musste, zuzog. In Rücksprache mit meiner Oma erfuhr ich diesbezüglich noch, dass sie im Vorfeld den Pflegern mitgeteilt habe, dass sie zur Toilette musste, jene aber aufgrund des Stresses keine Zeit dafür gehabt hätten. Was soll ich bloß glauben? Einerseits kann ich mir nicht vorstellen, dass das Krankenhauspersonal so ein Verhalten an den Tag legt, andererseits würde mich meine Oma auch niemals belügen. Klar kann sie Details durcheinander bringen, aber es klang doch so glaubhaft (und die genähte Wunde am Kopf spricht ja auch für sich, ... nicht dafür, wie es dazu kam, aber dass es dazu kam), zumal sie mir gestern auch zum zweiten Mal eine andere Begebenheit, die sich ein Tag zuvor zutrug, identisch schilderte. Als ihr nämlich eine Schwester die Pflaster mit denen
die Kanülen verbunden waren, so fest hinunterriss, dass sie nun eine 5.-DM große
Fleischwunde oberhalb des Handgelenks hat, wobei ich diesbezüglich erläutern muss, dass meine Oma inzwischen durch das Cortison bedingt eine ganz dünne Pergamenthaut hat, was meines Erachtens eine gelernte Krankenschwester aber wissen müsste. Ich verstehe nicht, wie jemand so plump sein kann?! Und was äußerte die Krankenschwester daraufhin? „Das kann ja mal passieren“. Kann es eben nicht, meinte mein Onkel mir gegenüber und erzählte mir davon, dass sein Bruder, also mein anderer Onkel, das Krankenhaus deswegen schon verklagen wollte, wobei er es dann aber doch unterließ. Ich erfuhr auch, dass meine Oma eine ganze Zeit lang in ihrer eigenen Blutlache lag, bevor sie überhaupt jemand fand. Bedingt durch ihre Schwäche hatte sie auch nicht die Kraft, laut um Hilfe zu rufen. Sie robbte am Boden, vom Stuhl zur Tischkante, rief nach „Willi“, meinem Opa, dem „lieben Herrgott“, auch das erzählte sie mir gestern.

Heute darf sie übrigens nach Hause – als Pflegefall, was (noch) etliche Schwierigkeiten in sich birgt, da wir noch keine rund-um-die-Uhr-Betreuung organisieren konnten. Bevor sie am vergangenen Montag ins Krankenhaus kam, konnte sie ja zumindest noch alleine auf Toilette, weshalb es auch noch einigermaßen tragbar war, dass mein Onkel erst am Nachmittag wieder da war. Erst insofern, als dass er, wie bereits geschildert, täglich um 4 Uhr aufsteht, um die 130 Kilometer weite Strecke zu seinem Arbeitsplatz zu fahren, dort acht Stunden arbeitet, um dann so gegen 16 Uhr wieder da bei meiner Oma zu sein, wenngleich das hieß, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt so gut wie nichts getrunken hat und das Flüssigkeitsmanko bis abends nicht mehr aufzuholen war (als sie am Montag ins Krankenhaus kam, bekam sie – via Tropf - erst einmal vier Ampullen Flüssigkeit , weil sie so ausgetrocknet war). Meinem Onkel gebührt in der Aufopferung sicherlich der meiste Respekt aller Mitwirkenden, die sich um meine Oma bemühen.

Die Zeit läuft mir inzwischen wieder mal davon. Mein erster Arbeitstag nach dem Urlaub steht an, deshalb etwas summierender.

Heute Mittag kommt der Pflegedienst, um sich die Verhältnisse vor Ort bei meinen Großeltern anzusehen. Geplant ist, dass sie ein eigenes Pflegebett, einen Rollstuhl sowie eine Lifta für die Badewanne erhält. Nachdem sich ihre gesundheitlichen Verhältnisse körperlich auch so verschlechtert haben, müssten sie sie inzwischen auch neu einstufen. Vielleicht geschieht auch das heute?

Alex, der aufopfernde Onkel, möchte seinen Chef nach
unbezahlten Urlaub fragen. Aber selbst wenn er diesen genehmigt bekommen
sollte, ... er muss ja auch von etwas leben. Wie bereits gesagt, wir haben noch niemanden, der meine Oma ganztägig betreut. Nimmt man sich eine deutsche Alten- oder Krankenpflegerin, muss man ca. 2.300 bis 2.500 Euro monatlich bezahlen. Eine Summe, die wir uns nicht leisten können, so traurig es klingt. Eine Alten- oder Krankenpflegerin aus Polen hingegen wäre, soweit ich das gestern im Netzt eruieren konnte, halblegal, schon für 1000.- Euro zu haben, wobei Kost und Logie hinzukämen. Selbst wenn wir das irgendwie arrangieren könnten, weiß ich nicht, inwiefern das meine Oma gutheißen würde, wenn sie von jemand Fremden, ganz egal welcher Nationalität, betreut würde und diese Person dann auch noch in ihrer Wohnung lebt. Aber haben wir eine Alternative? Um meine Oma familiär ganztägig betreuen zu können, müsste jemand seinen Job aufgeben.

Als ich meine Oma gestern gesehen habe, war ich zunächst total entsetzt. Sie schlief. Ihre Gesichtszüge waren entglitten, das
ganze Gesicht schien zu hängen, sie selbst lag so hager und ärmlich in diesem vergitterten Krankenhausbett (vergittert deshalb, weil sie einige Nächte zuvor daraus gefallen war). So habe ich sie definitiv noch nie gesehen. Ich schluckte.

Wir, der Pan und ich, waren über drei Stunden bei ihr. Zeit, in der sie die Ruhe und Entspannung fand aufzublühen. Zeit, in der das Leben wieder Gestalt in ihrem Gesicht annahm. Zeit, die wir auch lachend verbrachten. Zeit, in der sie die Sicherheit fand, in Ruhe ein wenig abzuschalten, zu schlafen, weil sie die Gewissheit hatte, dass jemand da ist, der auf sie aufpasst.

Auch wenn sie unser Besuch sicherlich anstrengte, konnten wir sehen, dass sie daraus Kraft schöpfte, obwohl mir meine Mutter später am Telefon mitteilte,
dass abends nichts mehr davon übrig geblieben sei.


... und morgen steht die Goldene Hochzeit meiner Großeltern auf dem Programm, wobei diese niemand feierlich begehen wird. Das stand ursprünglich mal an, wurde aber aufgrund der derzeitigen Befindlichkeit meiner Oma abgesagt. Wahrscheinlich werde ich ihr die Fingernägel schneiden und feilen und die ganzen Hände danach vorsichtig massierend einölen. Das tat ich vor Kurzem schon einmal und das hat ihr recht gut getan. Sie äußerte auch gestern den Wunsch danach, doch im Krankenhaus fehlten die Utensilien dafür. Meine Oma braucht keine materiellen Geschenke. Sie erfreut sich an der Aufmerksamkeit, der Zeit und der Zuneigung, die man ihr schenkt. Das macht sie auch so wertvoll.

Seit gestern Mittag sind wir wieder zurück. Schade, denn mit dieser Rückkehr trudelte auch langsam wieder das Denken darüber ein, dass der Urlaub nun in Bälde vorüber ist, was in sich nicht so fatal wäre, wenn die kommenden Wochen nicht so fern- und fremdbestimmt wären, was meine Tätigkeit betrifft Bis Mittwoch weile ich noch an meinen eigenen Arbeitsplatz, dann stehen – wieder mal – dreieinhalb Wochen Urlaubsvertretung auf dem Programm.

Seit Montag liegt meine Oma erneut im Krankenhaus: Der Tumor ist inzwischen so groß geworden, dass er die Galle verstopft. Die Ärzte wollten ihr eine Stele, ein Röhrchen, das direkt in die Galle mündet, damit die Flüssigkeit abfließen kann, einführen. Da der Eingriff aufgrund ihrer blutverdünnenden Medikamente aber (zunächst?) noch zu heikel (inneres Verbluten) schien, unterließen sie es, wobei es aber die kommenden Tage – nach dem Absetzen der Medikamente - realisiert werden sollte. Am Freitag stand ich noch mit meinem Onkel im Gespräch, der davon ausging, dass seiner Mutter die Stele am Donnerstag gelegt wurde. Ich hatte im Vorfeld des gleichen Tages aber noch mit meiner Oma telefoniert, wobei sie meinte, dass die Ärzte diesbezüglich nichts getan hätten, weil es sich nicht mehr lohnte, so die Ärzte, was mich natürlich in Sorge versetzte. Mein Onkel äußerte sich - selbst eine Erklärung suchend - dahingehend, dass ich die Aussagen meiner Oma mittlerweile nicht mehr alle 1:1 als richtig annehmen sollte. Da ich wusste, dass er sie an diesem Tag noch im Krankenhaus besuchen würde, bat ich ihn um Eruierung, wobei ich seitdem aber nicht mehr mit ihm gesprochen habe, insofern selbst noch unwissend bin, obwohl ich spätestens nachher, wenn der Pan und ich meine Oma besuchen, selbst erfahren werde, was Fakt ist.

Mittlerweile hoffe ich um jeden weiteren Tag ihres Lebens. Am Dienstag jährt sich der 50. Hochzeitstag meiner Großeltern. Die Ärzte meinten, dass sie, meine Oma, auf dieses feierliche Ereignis hinleben sollte. Puhhhh, ... alles nicht so einfach, noch weniger für meine Oma, die sich sehr oft einsam fühlt, was ihr am meisten Kummer verursacht. Bei unserem letzten Telefonat sagte sie, dass sie wolle, dass der Pan und ich bei ihrem Sterben dabei sind. Abgesehen davon, dass ich nicht weiß, wie vorhersehbar ihre letzten Stunden sind, weiß ich natürlich nicht, wie sich das in der Fremde (Urlaubsvertretung) realisieren lässt. Wäre ich an meinem eigenen Arbeitsplatz – hier arbeiten wir zu zweit – wäre das kein Thema, aber an diesen anderen Orten? Ich hoffe, ich kann das irgendwie einrichten, auch zeitlich. Ich weiß ja nicht, wie schnell der Tod sich ihr Leben nimmt, wenn er sich denn mal dazu entschlossen hat, ihr an diesem einem speziellen Tag kein weiteres Leben mehr zu gönnen.

 

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma