Gerade mal neun Tage ist es jetzt her, dass meine geliebte Oma verstorben ist. Heute hätte sie Geburtstag, würde, wenn sie der Krebs innerhalb von drei Monaten nicht auf die furchtbarste Art von innen zerfressen hätte, den 84. Jahrestag ihrer Geburt zelebrieren. Das heißt eigentlich wir, die Familie, würden ihn mit ihr feiern, weil sie der zentrale Mittelpunkt all unseres familiären Daseins war.
In meinen Gedanken habe ich ihr schon heute Nacht gratuliert, gehofft, dass sie es irgendwie mitbekommt, spürt, dass sie nach wie vor ungemindert – mit all meiner Liebe – in meinem Herzen weilt, und dort auf Lebzeit einen festen Platz inne hat. Immer dann, so wie jetzt, wenn ich die Gedanken ganz gezielt an sie richte, wird mir bewusst, dass ich sie nie mehr umarmen, nie mehr streicheln, ihr nie wieder etwas erzählen kann, was ich derzeit doch recht häufig verdränge, weil ich dieses Gefühl nicht fühlen möchte. Ich kann mir nach wie vor nicht vorstellen, dass sie nicht mehr da ist. Irgendwie lebe ich derzeit mit dem Empfinden, dass sie einfach nur auf Reisen ist, was mich die Tatsache ihres Todes, den ich fortwährend mit dieser eingebildeten Sinnestäuschung verdränge, recht gut ertragen lässt, wenngleich ich mich jetzt beim Schreiben dieser Zeilen der Realität weinend stellen muss.
Das Verhalten meines einen Onkels, der mit ihrem Ableben wohl am wenigsten zurechtkommt, wird immer absonderlicher. Gestern habe ich deswegen schon mit der telefonischen Notseelsorge gesprochen.Er verweilt nach wie vor ganz alleine in der Wohnung meiner Großeltern. Vorgestern erzählte er mir, dass er morgen für meinen Opa und meine Oma frische Bohnen kochen würde. Gestern rief er meine Mutter an und fragte sie, warum sie meine Oma nicht anrufen würde, denn sie, meine Oma, würde auf einen Anruf von ihr warten. Später fragte er sie, ob sie nicht mit meiner Oma sprechen wolle, was meine Mutter dann bejahte. Er bat um einen Augenblick, so als würde er sie holen wollen, dann kam er wieder uns sagte, dass sie, meine Oma, gerade schlafen würde und dass meine Mutter später noch einmal anrufen solle.
In diesem Belang ängstigt mich der heutige Tag, weil ich nicht weiß, wie er, mein Onkel, auf den Geburtstag seiner Mutter reagieren wird. Ich werde ihn nachher mal anrufen, um zu erspüren, wie sein heutiges Befinden ist. Wenn es mir bedrohlich erscheint, werde ich seine Hausärztin, die ich gestern nicht mehr erreichte, anrufen. Das hat mir zumindest die Dame von der Notseelsorge empfohlen. Die Hausärztin wird sicherlich Verständnis haben, schließlich hat sie meine Oma auch bis in den Tod begleitet.
Und für meine Oma, wo auch immer sie derzeit sein mag, wünsche ich mir einfach nur, dass sie sich dort, wo sie gerade ist, geborgen fühlen und unsere weltliche Liebe trotz aller Ferne spüren möge.
pattyv - am Freitag, 26. August 2005, 09:45 - Rubrik: Omas Krebs
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Was die einen - Südbayern, Österreich und die Schweiz – zuviel haben, haben die anderen – Portugal, Spanien und Südfrankreich – zu wenig: Wasser! Unfassbar: Reißende Flüsse, Hochwasser mit Rekordständen und Erdrutsche haben nicht nur ganze Regionen unter Wasser gesetzt, sondern auch Menschenleben gefordert. In Südbayern wurden Ortschaften von den Wassermassen überflutet, Brücken fortgerissen, zahllose Straßen und Bahnlinien gesperrt. In fünf Landkreisen herrschte Katastrophenalarm. Nach Einschätzung von Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf sei das Hochwasser verheerender als das Pfingsthochwasser von 1999.
Und dann das andere Extrem: Südwesteuropa erlebt ein riesiges Flammeninferno. In 13 der 18 portugiesischen Bezirke brennen die Wälder, Helfer kämpfen gegen mehr als 50 große Feuer, wobei Portugals Regierung inzwischen einen Hilferuf an die Europäische Union sandte, dieser teilweise auch schon umgesetzt wurde. Fatal nur, dass die meisten Wald- und Buschbrände in Südfrankreich auf Brandstiftung zurückgehen und auch die innerhalb von 24 Stunden 120 Waldbrände gemeldeten Waldbrände in Spanien ebenfalls von Brandstiftern gelegt worden sind. Wie kann das ein "Zündler" verantworten?
Schade, dass es nicht möglich ist, ein rettendes Gleichgewicht der zerstörerischen Kräfte zu schaffen, in dem die anhaltende Dürre Südwesteuropas die klamme Wolkendecke austrocknend umhüllt, während die nassen Fluten des alpinen Dreiländerecks das brennende Inferno global löschen.
Und dann das andere Extrem: Südwesteuropa erlebt ein riesiges Flammeninferno. In 13 der 18 portugiesischen Bezirke brennen die Wälder, Helfer kämpfen gegen mehr als 50 große Feuer, wobei Portugals Regierung inzwischen einen Hilferuf an die Europäische Union sandte, dieser teilweise auch schon umgesetzt wurde. Fatal nur, dass die meisten Wald- und Buschbrände in Südfrankreich auf Brandstiftung zurückgehen und auch die innerhalb von 24 Stunden 120 Waldbrände gemeldeten Waldbrände in Spanien ebenfalls von Brandstiftern gelegt worden sind. Wie kann das ein "Zündler" verantworten?
Schade, dass es nicht möglich ist, ein rettendes Gleichgewicht der zerstörerischen Kräfte zu schaffen, in dem die anhaltende Dürre Südwesteuropas die klamme Wolkendecke austrocknend umhüllt, während die nassen Fluten des alpinen Dreiländerecks das brennende Inferno global löschen.
pattyv - am Dienstag, 23. August 2005, 23:08 - Rubrik: Kaum zu glauben
Eben hat mich meine Mutter im Büro angerufen. Sie klang beängstigend. Müde. Schlapp. Aber auch so, dass ich sofort wusste, dass etwas vorgefallen sein muss.
"Eigentlich dachte ich, dass unser Sorgenkind der Opa sei", fing sie an. Ich bekam Angst. Was war passiert?
Von meinem Opa wusste ich, dass er gestern mit meinem Onkel zum Bodensee - er wohnt da - fuhr, um in den zwei Wochen, die er dort zu verweilen gedenkt, Abstand von dem furchtbaren Ereignis des vergangenen Mittwochs zu finden.
Ich wusste auch, dass mein anderer Onkel derzeit krank geschrieben ist, er gestern in die Wohnung meiner Großeltern zu fahren gedachte, um das Chaos, das dort vornehmlich durch den Aufenthalt seines Bruders, der mit Hund angereist war, zu säubern.
"Was ist passiert?", fragte ich voller Sorge?
"Alex hat mich gestern mehrfach angerufen und bitterlich geweint. Alles in der Wohnung rieche und erinnere noch an Mama (meine Oma)", habe er gesagt, erläuterte mir meine Mutter.
"Ja, ...?", äußerte ich um Details bittend.
"Ich wollte mich nachts um 2.30 Uhr gerade schlafen legen, da rief er wieder an, klang ganz schwach, leise", erzählte sie weiter.
"Und?", forderte ich weiter.
Er wollte sich vom Balkon (4. Etage) stürzen, hatte bereits drei Morphiumtabletten von Oma intus, sagte, dass er noch mehr schlucken wolle. "Ich zog all meine Register, die mir in Punkto Trost einfielen", ergänzte meine Mutter mir erklärend.
Puhhh ... ??!! Jetzt schluckte ich, allerdings nur den aufgestauten Kloß im Hals.
Meine Mutter rief dann in der Nacht noch meinen anderen Onkel an, der meinte, dass sie und mein Vater gleich rüber (Fußmarsch ca. 6 bis 7 Minuten) zu Alex soll, was sie dann auch taten. Sie rief auch im Krankenhaus an, um nachzufragen, ob diese Dosis bereits gefährlich sei, erreichte dort aber keinen, weshalb sie sich in zweiter Instanz, allerdings anonym, für die Polizei entschied, um dort weitere Infos zu erhalten.
"Ich bin heute Nacht ein ziemlich hohes Risiko eingegangen, in dem ich mich dafür entschied, keine medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, auch weil ich nicht möchte, dass sich das in der Nachbarschaft herumspricht.", fügte meine Mutter, die die Tablettenberge meiner Oma heute Morgen vorsorglich mit nach Hause genommen hatte, erschöpft, aber auch erleichtert hinzu, weil Alex, ihr Bruder, der in dieser Nacht mehrfach nach seiner Mutter bettelte, überstanden hatte.
Doch wie geht es weiter?
"Eigentlich dachte ich, dass unser Sorgenkind der Opa sei", fing sie an. Ich bekam Angst. Was war passiert?
Von meinem Opa wusste ich, dass er gestern mit meinem Onkel zum Bodensee - er wohnt da - fuhr, um in den zwei Wochen, die er dort zu verweilen gedenkt, Abstand von dem furchtbaren Ereignis des vergangenen Mittwochs zu finden.
Ich wusste auch, dass mein anderer Onkel derzeit krank geschrieben ist, er gestern in die Wohnung meiner Großeltern zu fahren gedachte, um das Chaos, das dort vornehmlich durch den Aufenthalt seines Bruders, der mit Hund angereist war, zu säubern.
"Was ist passiert?", fragte ich voller Sorge?
"Alex hat mich gestern mehrfach angerufen und bitterlich geweint. Alles in der Wohnung rieche und erinnere noch an Mama (meine Oma)", habe er gesagt, erläuterte mir meine Mutter.
"Ja, ...?", äußerte ich um Details bittend.
"Ich wollte mich nachts um 2.30 Uhr gerade schlafen legen, da rief er wieder an, klang ganz schwach, leise", erzählte sie weiter.
"Und?", forderte ich weiter.
Er wollte sich vom Balkon (4. Etage) stürzen, hatte bereits drei Morphiumtabletten von Oma intus, sagte, dass er noch mehr schlucken wolle. "Ich zog all meine Register, die mir in Punkto Trost einfielen", ergänzte meine Mutter mir erklärend.
Puhhh ... ??!! Jetzt schluckte ich, allerdings nur den aufgestauten Kloß im Hals.
Meine Mutter rief dann in der Nacht noch meinen anderen Onkel an, der meinte, dass sie und mein Vater gleich rüber (Fußmarsch ca. 6 bis 7 Minuten) zu Alex soll, was sie dann auch taten. Sie rief auch im Krankenhaus an, um nachzufragen, ob diese Dosis bereits gefährlich sei, erreichte dort aber keinen, weshalb sie sich in zweiter Instanz, allerdings anonym, für die Polizei entschied, um dort weitere Infos zu erhalten.
"Ich bin heute Nacht ein ziemlich hohes Risiko eingegangen, in dem ich mich dafür entschied, keine medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, auch weil ich nicht möchte, dass sich das in der Nachbarschaft herumspricht.", fügte meine Mutter, die die Tablettenberge meiner Oma heute Morgen vorsorglich mit nach Hause genommen hatte, erschöpft, aber auch erleichtert hinzu, weil Alex, ihr Bruder, der in dieser Nacht mehrfach nach seiner Mutter bettelte, überstanden hatte.
Doch wie geht es weiter?
pattyv - am Dienstag, 23. August 2005, 13:03 - Rubrik: Omas Krebs
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Bin ich gefühlskalt, viel abgebrühter, als ich mir selbst je eingestehen würde, ja geradezu roh? Wie sonst soll ich mir erklären, dass es mir derzeit, abgesehen, dass ich die beiden vergangenen Nächte im Nachdenken über meine Oma recht schlecht schlafen konnte, so gut geht? Nachts bildete ich mir auch noch ein, dass ich morgens erwachen würde und ganz bestimmt nur schlecht geträumt hätte, was ihren Tod anbelangt.Und jetzt?
Jetzt weiß ich, dass dieser Gedanke nur ersonnener Wunsch war, die Realität die (für mich) liebste Oma der Welt in einem hellem Eschesarg in der kalten, dunklen Erde vergraben hat. Wieso kann ich damit, wovor ich Zeit meines Lebens so viel Angst hatte, auf einmal so gut umgehen? Ich habe das Gefühl, als fühle ich nichts, dabei habe ich doch noch gestern in der Kirche geweint, auch am Grab ...
Liegt es daran, dass ich in der Person, die die letzten Tage im Krankenhaus lag, meine Oma nicht wieder erkennen konnte? Liegt es daran, dass diese leblose Person, die am Freitag Abend aufgebahrt wurde, nicht im entferntesten an meine Oma erinnerte? Liegt es daran, dass meine Oma mein Leben viel zu lang begleitet hat, als dass sie jetzt einfach daraus scheiden kann? Lässt mein Herz nicht zu, was die Sterbeurkunde nachweislich beweist?Ich weiß es nicht ...
pattyv - am Sonntag, 21. August 2005, 15:30 - Rubrik: Omas Krebs
Alex, mein Onkel, steht unter Medikamenten, lebt, seinen eigenen Worten zufolge, derzeit wie in Trance, ist nicht mehr aufnahmefähig, ist zunächst auch erst einmal krank geschrieben, wobei ich nicht weiß, ob ich das für gut heißen soll, wenngleich ich es verstehen kann.
Aber was macht er nächste Woche, wenn alles hektische Treiben, das ihn die vergangenen Wochen in Sorge um meine Oma umgab, wegfällt, langsam Ruhe einkehrt und er plötzlich wieder Zeit für sich hat, vielleicht viel mehr als ihm lieb ist? Dass er Ruhe braucht ist klar, ich kann nur nicht sagen, ob diese Stille, in der ihm soviel Zeit zum Nachdenken bleibt, ihn nicht auffressen wird. Gestern erläuterte er mir, dass er derzeit nach wie vor noch jeden Tag von Wertheim nach Wiesbaden (einfacher Weg 130 Kilometer) fährt, bloß um das Gefühl zu haben, als sei alles noch so wie die Wochen zuvor. Zeit seines Lebens verbrachte er nahezu jedes Wochenende bei seinen Eltern. „Ich weiß nicht, ob ich das schaffe, mein Leben neu zu orientieren“, meinte er gestern Nacht noch zu mir. Klar wird er künftig auch weiterhin meinen Opa, seinen Vater, besuchen, doch das ist etwas anderes, schwierig zu erklären, wenn man meinen Opa, der der Konversation kaum mächtig ist (trotzdem ein herzensguter Mensch ist), nicht kennt. Antrieb war meine Oma. Sie war der Magnet, der die Familie zusammenhielt, meinte meine Mutter.
Morgen,10.30 Uhr, ist die Beerdigung. Heute, 18 Uhr, wird meine Oma – in ihren Lieblingskleidern - noch einmal aufgebahrt. Alex erzählte mir, dass er das mit den Bestattern so arrangiert hat, dass meine Oma mein rotes Steinherz, an das sich meine Oma noch in der Stunde ihres Todes klammerte, mit ihren Händen umschließen wird, während die selbst gebastelte persönliche Sorgen- und Nöte-Schachtel auf ihrem Kopfkissen ruhen wird.
Den Worten meiner Mutter zufolge haben sich die drei Kinder meiner Oma zumindest gestern soweit verstanden, dass sie, alles was die Beerdigung betrifft, eine relativ streitlose – außer den Disharmonien, was die Totenanzeige anbelangt - Übereinkunft fanden: Sie entschieden sich für einen italienischen Sarg mit weißen Satin und einem feinen Kopfkissen. Musikalisch gäbe es neben der gewöhnlichen Orgelmusik auch jemanden, der Geige und Flöte spielt. Das Grab befände sich an so einer aparten und idyllischen Stelle, dass meine Mutter sich dahingehend äußerte, dort auch ihren letzten Frieden finden zu wollen. Bei den Blumenkränzen agierte sowieso jeder einzeln. Soviel zu den mir per Telefon zugetragen Fakten.
Mein anderer Onkel wird meinen Opa am Sonntag vorerst einmal für die nächsten Wochen mit zu sich nehmen, damit er dort vielleicht ein wenig Abstand von dieser traurigen Gewissheit, mit der wir uns nun alle auseinander zu setzen haben, gewinnt.
Meine eigenen Gefühle kann ich derzeit gar nicht beschreiben. Einerseits sagt mir mein Verstand, dass meine Oma tot ist, weshalb ich mich innerlich irgendwie auch so sachlich fühle, ... ich weiß nicht, wie ich es besser formulieren könnte. Andererseits lebt meine Oma in mir aber noch, so dass ich das ganze Sterben und Nichtmehrdasein von seiner Tragweite noch nicht wirklich gefasst habe, deshalb auch nicht wirklich durchdrungen bin von dieser Traurigkeit, die mir bisher einzig meine Ratio aufoktroyiert, wobei ich Mittwochnachts durchaus eine Phase hatte, in der das Bewusstsein über ihren Tod mich auch emotional durchdrang und dieser Heulanfall zunächst auch nicht mehr abebben wollte. Gestern früh trug sich eine ähnliche Begebenheit des Gefühlezulassens zu. Seltsam, wenn ich jetzt daran denke, schwappen diese Emotionen auch wieder hoch. Sei es das riesige Nutellaglas, das meine Oma dem Pan zu Weihnachten schenkte, die vielen Quittengeleegläser, die meine Oma bei meinem Onkel in Auftrag gab, um ihm, dem Pan, eine Freude zu machen (meine Oma selbst ging ja nicht mehr einkaufen), von denen hier noch neun Stück stehen. Seien es die Kissen auf dem Sofa, die Strümpfe und die Unterwäsche, die sie schenkte. In allem sah, spürte und vermisste ich sie. Alles hat sie einmal berührt, was jetzt nicht mehr möglich ist. In all dem steckt ein bisschen von meiner geliebten Oma. Ist das nicht sonderbar?
Und als wir gestern das eine Geleeglas in den Kühlschrank stellten, hatte ich das Gefühl, als würde ich meine Oma dort hinein legen, sah es fast als Äquivalent zum Kühlhaus, in dem sie mein Verstand, aber nicht mein Herz (!) wusste. Ist das nicht alles absurd?!
Aber was macht er nächste Woche, wenn alles hektische Treiben, das ihn die vergangenen Wochen in Sorge um meine Oma umgab, wegfällt, langsam Ruhe einkehrt und er plötzlich wieder Zeit für sich hat, vielleicht viel mehr als ihm lieb ist? Dass er Ruhe braucht ist klar, ich kann nur nicht sagen, ob diese Stille, in der ihm soviel Zeit zum Nachdenken bleibt, ihn nicht auffressen wird. Gestern erläuterte er mir, dass er derzeit nach wie vor noch jeden Tag von Wertheim nach Wiesbaden (einfacher Weg 130 Kilometer) fährt, bloß um das Gefühl zu haben, als sei alles noch so wie die Wochen zuvor. Zeit seines Lebens verbrachte er nahezu jedes Wochenende bei seinen Eltern. „Ich weiß nicht, ob ich das schaffe, mein Leben neu zu orientieren“, meinte er gestern Nacht noch zu mir. Klar wird er künftig auch weiterhin meinen Opa, seinen Vater, besuchen, doch das ist etwas anderes, schwierig zu erklären, wenn man meinen Opa, der der Konversation kaum mächtig ist (trotzdem ein herzensguter Mensch ist), nicht kennt. Antrieb war meine Oma. Sie war der Magnet, der die Familie zusammenhielt, meinte meine Mutter.
Morgen,10.30 Uhr, ist die Beerdigung. Heute, 18 Uhr, wird meine Oma – in ihren Lieblingskleidern - noch einmal aufgebahrt. Alex erzählte mir, dass er das mit den Bestattern so arrangiert hat, dass meine Oma mein rotes Steinherz, an das sich meine Oma noch in der Stunde ihres Todes klammerte, mit ihren Händen umschließen wird, während die selbst gebastelte persönliche Sorgen- und Nöte-Schachtel auf ihrem Kopfkissen ruhen wird.
Den Worten meiner Mutter zufolge haben sich die drei Kinder meiner Oma zumindest gestern soweit verstanden, dass sie, alles was die Beerdigung betrifft, eine relativ streitlose – außer den Disharmonien, was die Totenanzeige anbelangt - Übereinkunft fanden: Sie entschieden sich für einen italienischen Sarg mit weißen Satin und einem feinen Kopfkissen. Musikalisch gäbe es neben der gewöhnlichen Orgelmusik auch jemanden, der Geige und Flöte spielt. Das Grab befände sich an so einer aparten und idyllischen Stelle, dass meine Mutter sich dahingehend äußerte, dort auch ihren letzten Frieden finden zu wollen. Bei den Blumenkränzen agierte sowieso jeder einzeln. Soviel zu den mir per Telefon zugetragen Fakten.
Mein anderer Onkel wird meinen Opa am Sonntag vorerst einmal für die nächsten Wochen mit zu sich nehmen, damit er dort vielleicht ein wenig Abstand von dieser traurigen Gewissheit, mit der wir uns nun alle auseinander zu setzen haben, gewinnt.
Meine eigenen Gefühle kann ich derzeit gar nicht beschreiben. Einerseits sagt mir mein Verstand, dass meine Oma tot ist, weshalb ich mich innerlich irgendwie auch so sachlich fühle, ... ich weiß nicht, wie ich es besser formulieren könnte. Andererseits lebt meine Oma in mir aber noch, so dass ich das ganze Sterben und Nichtmehrdasein von seiner Tragweite noch nicht wirklich gefasst habe, deshalb auch nicht wirklich durchdrungen bin von dieser Traurigkeit, die mir bisher einzig meine Ratio aufoktroyiert, wobei ich Mittwochnachts durchaus eine Phase hatte, in der das Bewusstsein über ihren Tod mich auch emotional durchdrang und dieser Heulanfall zunächst auch nicht mehr abebben wollte. Gestern früh trug sich eine ähnliche Begebenheit des Gefühlezulassens zu. Seltsam, wenn ich jetzt daran denke, schwappen diese Emotionen auch wieder hoch. Sei es das riesige Nutellaglas, das meine Oma dem Pan zu Weihnachten schenkte, die vielen Quittengeleegläser, die meine Oma bei meinem Onkel in Auftrag gab, um ihm, dem Pan, eine Freude zu machen (meine Oma selbst ging ja nicht mehr einkaufen), von denen hier noch neun Stück stehen. Seien es die Kissen auf dem Sofa, die Strümpfe und die Unterwäsche, die sie schenkte. In allem sah, spürte und vermisste ich sie. Alles hat sie einmal berührt, was jetzt nicht mehr möglich ist. In all dem steckt ein bisschen von meiner geliebten Oma. Ist das nicht sonderbar?
Und als wir gestern das eine Geleeglas in den Kühlschrank stellten, hatte ich das Gefühl, als würde ich meine Oma dort hinein legen, sah es fast als Äquivalent zum Kühlhaus, in dem sie mein Verstand, aber nicht mein Herz (!) wusste. Ist das nicht alles absurd?!
pattyv - am Freitag, 19. August 2005, 11:18 - Rubrik: Omas Krebs
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Jetzt hat er sie sich tatsächlich geholt. Meine Oma ist tot. Ich kann gar nicht sagen, wie ich mich fühle. Es war furchtbar. Ich kam 20 Minuten zu spät, traf meine Patin auf der Treppe des Krankenhauses, die mich zu der Türe des Zimmers führte, in dem bereits meine Mutter, meine beiden Onkel, mein Opa und meine Schwester Abschied nahmen. In meinem 36-jährigen Leben habe ich noch niemals eine toten Menschen gesehen. Ich hatte Angst, die Tür zu öffnen, wusste nicht, wie ich reagieren würde.
Dann ging die Tür plötzlich von innen auf, wobei ich gar nicht mehr sagen kann, wer mir entgegen kam. Ich schritt hinein ...
Es fiel mir schwer, in diesem bleichen Etwas, dessen Mund – fast wie vom Entsetzen durchdrungen - weit geöffnet war, auch wenn sich das grausam anhören mag, meine Oma wieder zu finden. Gütiger Himmel, war das sie? Ihre Hände verloren zunehmend an Farbe, wurden mit bleibender Verweildauer auch immer kälter. Ich bin noch immer ganz durcheinander, kann das alles noch gar nicht realisieren, erfuhr aber von irgendeinem der Anwesenden, dass zum Zeitpunkt ihres Todes alle ihre drei Kinder, sprich meine Mutter und meine beiden Onkel, bei ihr waren. Meine Schwester versuchte zeitgleich noch meinen Opa zu holen (Hin- und Rückweg zum Krankenhaus von ihm nimmt ca. 20 Minuten in Anspruch), doch auch sie kamen zu spät. Meine Schwester rang um Fassung, mein einer Onkel (Alex), der, der meine Oma auch zu Hause pflegen wollte, entwich sie in einem erbitterten Heulkrampf, der nahezu alle Umstehenden auch zwangsläufig dazu brachte, wieder zu weinen. „Tschüss Mamme“, hatte er gesagt und wollte mit einem letzten Abschiedskuss das Zimmer verlassen, bis es aus ihm herausbrach, er meine Oma umarmte und sie nicht mehr zu küssen aufhörte, bis meine Schwester und die später noch dazu gekommene Großnichte ihn von ihr losrissen.
Nicht sehr viel später kam mein Bruder, der froh war, wie so viele andere auch, dass meine Oma nun endlich von ihrem Leiden erlöst ist. Er streichelte ihr über die Wange und sagte leise und unter Tränen „Adieu“, was so rührend war, dass wir, die Umstehenden, ebenfalls wieder zu weinen begannen.
Der einzige, der nicht in der Lage ist, Gefühle zu zeigen, ist mein Opa. Er kann es einfach nicht. Er meint es definitiv nicht böse, weiß aber nicht, wie er damit umgehen soll. Schon von jeher. Er blieb sachlich, zurückhaltend. „Aus der Traum“, war neben der Frage, ob der Schrank im Krankenhaus ausgeräumt sei und Themen, die die Bestattung betreffen, das einzige, was ihm diese Tragödie betreffend, über die Lippen huschte. Und doch wissen wir, die Familie, dass ihm der Tod seiner Frau, sehr nahe geht. In den Arm nehmen lässt er sich aber auch nicht. Dafür ist er zu schüchtern – ganz ehrlich!
Alex erzählte mir auch, dass meine Oma heute den ganzen Nachmittag das kleine, faustgroße, rote Steinherz, das ich ihr vor etlichen Wochen – gleich zu Beginn ihrer Krebsdiagnose – mitbrachte, um ihr damit zu signalisieren, dass ich mit meinem Herzen immer bei ihr sei, auch wenn ich persönlich nicht anwesend sein könne, in der Hand hielt, es auch nicht mehr losließ. Sie hatte es im übrigen immer in ihrer Nähe, nahm es auch jedes Mal mit ins Krankenhaus und selbst als sie schon sehr geschwächt zuhause war, lag es immer nur eine Handlänge von ihr entfernt. Alex fragte mich, ob ich das Herz und meine für sie selbst gebastelte persönliche Sorgen- und Nöte-Schachtel als Andenken an sie haben wollte, was ich natürlich verneinte. Für mich ist klar, dass das Beigaben für den Sarg sind, sofern das die Bestatter erlauben, denn mein Herz soll immer bei sein, auch über den Tod hinaus.
Nächsten Freitag wäre die gütigste Frau, die ich in meinem Leben kennengelernt habe, 84 Jahre alt geworden. Zu ihrem Glück hat sie ihn nicht mehr erleben müssen. Die Umstände wären alles andere als feierlich gewesen.
Und trotzdem, ... jetzt ist sie einfach weg. Ich habe das Gefühl, als müsste ich mein Leben nun neu ordnen.
Irgendwann kamen die Pfleger, haben uns gebeten, das Zimmer für eine Viertelstunde zu verlassen, damit sie meine Oma „fertig“ machen können. Sie kamen zu dritt ins Zimmer, hatten Handschuhe an.
Im Anschluss nahmen meine Schwester, meine Mutter, meine Großnichte und ich noch einmal persönlich und jeder für sich alleine Abschied von meiner Oma. Den Mund hatten sie ihr inzwischen mit Mullbinden um den Kopf herum zugebunden, was so lange gemacht wird, bis die Totenstarre durchdringend eingetreten ist (dann bleibt der Mund später auch zu). Auf mich wirkte es vom Anblick her ein wenig so, als ob sie Zahnschmerzen hätte. Meine Schwester war die erste, die ein allerletztes Mal persönlichen Abschied von meiner Oma nahm. Als ich in das Zimmer ging, die Türe hinter mir schloss, mit dieser toten Person, die meiner Oma optisch annäherungsweise glich, alleine war, überkam mich Angst. Ich konnte mich nicht dagegen wehren, fand das meiner Oma gegenüber auch unfair, wollte etwas Liebes sagen, doch ich war so durchdrungen von dieser Angst, dass sie mein Herz beengte und mich zum weiteren Weinen veranlasste. Ich versuchte mich zusammenzureißen, erinnerte mich zwanghaft an Worte, die ich ihr einst im wachen Bewusstsein mitteilte, damals, als mein Herz mir die Worte von ganz alleine auftrug. Ich wollte nicht, dass sie die Angst spürte. Das hatte sie nicht verdient, hätte sie traurig gemacht, weil meine Oma mit Sicherheit die allerletzte Person auf Erdenist war, vor der man Angst haben muss.
Wenn ihr Geist, ihre Seele oder wie auch immer man das Verbleibende bezeichnen mag, vorausgesetzt es gibt es, irgendwo noch existieren sollte, hoffe ich, dass es ihr jetzt dort, wo sie ist, besser gehen mag und sie nicht traurig ist, weil sie uns zurückgelassen hat. Ich möchte nur nicht, dass sie sich dort, wo sie ist, alleine fühlt!
Wenn es ihr gut geht, lasse ich sie gerne gehen.
Dann ging die Tür plötzlich von innen auf, wobei ich gar nicht mehr sagen kann, wer mir entgegen kam. Ich schritt hinein ...
Es fiel mir schwer, in diesem bleichen Etwas, dessen Mund – fast wie vom Entsetzen durchdrungen - weit geöffnet war, auch wenn sich das grausam anhören mag, meine Oma wieder zu finden. Gütiger Himmel, war das sie? Ihre Hände verloren zunehmend an Farbe, wurden mit bleibender Verweildauer auch immer kälter. Ich bin noch immer ganz durcheinander, kann das alles noch gar nicht realisieren, erfuhr aber von irgendeinem der Anwesenden, dass zum Zeitpunkt ihres Todes alle ihre drei Kinder, sprich meine Mutter und meine beiden Onkel, bei ihr waren. Meine Schwester versuchte zeitgleich noch meinen Opa zu holen (Hin- und Rückweg zum Krankenhaus von ihm nimmt ca. 20 Minuten in Anspruch), doch auch sie kamen zu spät. Meine Schwester rang um Fassung, mein einer Onkel (Alex), der, der meine Oma auch zu Hause pflegen wollte, entwich sie in einem erbitterten Heulkrampf, der nahezu alle Umstehenden auch zwangsläufig dazu brachte, wieder zu weinen. „Tschüss Mamme“, hatte er gesagt und wollte mit einem letzten Abschiedskuss das Zimmer verlassen, bis es aus ihm herausbrach, er meine Oma umarmte und sie nicht mehr zu küssen aufhörte, bis meine Schwester und die später noch dazu gekommene Großnichte ihn von ihr losrissen.
Nicht sehr viel später kam mein Bruder, der froh war, wie so viele andere auch, dass meine Oma nun endlich von ihrem Leiden erlöst ist. Er streichelte ihr über die Wange und sagte leise und unter Tränen „Adieu“, was so rührend war, dass wir, die Umstehenden, ebenfalls wieder zu weinen begannen.
Der einzige, der nicht in der Lage ist, Gefühle zu zeigen, ist mein Opa. Er kann es einfach nicht. Er meint es definitiv nicht böse, weiß aber nicht, wie er damit umgehen soll. Schon von jeher. Er blieb sachlich, zurückhaltend. „Aus der Traum“, war neben der Frage, ob der Schrank im Krankenhaus ausgeräumt sei und Themen, die die Bestattung betreffen, das einzige, was ihm diese Tragödie betreffend, über die Lippen huschte. Und doch wissen wir, die Familie, dass ihm der Tod seiner Frau, sehr nahe geht. In den Arm nehmen lässt er sich aber auch nicht. Dafür ist er zu schüchtern – ganz ehrlich!
Alex erzählte mir auch, dass meine Oma heute den ganzen Nachmittag das kleine, faustgroße, rote Steinherz, das ich ihr vor etlichen Wochen – gleich zu Beginn ihrer Krebsdiagnose – mitbrachte, um ihr damit zu signalisieren, dass ich mit meinem Herzen immer bei ihr sei, auch wenn ich persönlich nicht anwesend sein könne, in der Hand hielt, es auch nicht mehr losließ. Sie hatte es im übrigen immer in ihrer Nähe, nahm es auch jedes Mal mit ins Krankenhaus und selbst als sie schon sehr geschwächt zuhause war, lag es immer nur eine Handlänge von ihr entfernt. Alex fragte mich, ob ich das Herz und meine für sie selbst gebastelte persönliche Sorgen- und Nöte-Schachtel als Andenken an sie haben wollte, was ich natürlich verneinte. Für mich ist klar, dass das Beigaben für den Sarg sind, sofern das die Bestatter erlauben, denn mein Herz soll immer bei sein, auch über den Tod hinaus.
Nächsten Freitag wäre die gütigste Frau, die ich in meinem Leben kennengelernt habe, 84 Jahre alt geworden. Zu ihrem Glück hat sie ihn nicht mehr erleben müssen. Die Umstände wären alles andere als feierlich gewesen.
Und trotzdem, ... jetzt ist sie einfach weg. Ich habe das Gefühl, als müsste ich mein Leben nun neu ordnen.
Irgendwann kamen die Pfleger, haben uns gebeten, das Zimmer für eine Viertelstunde zu verlassen, damit sie meine Oma „fertig“ machen können. Sie kamen zu dritt ins Zimmer, hatten Handschuhe an.
Im Anschluss nahmen meine Schwester, meine Mutter, meine Großnichte und ich noch einmal persönlich und jeder für sich alleine Abschied von meiner Oma. Den Mund hatten sie ihr inzwischen mit Mullbinden um den Kopf herum zugebunden, was so lange gemacht wird, bis die Totenstarre durchdringend eingetreten ist (dann bleibt der Mund später auch zu). Auf mich wirkte es vom Anblick her ein wenig so, als ob sie Zahnschmerzen hätte. Meine Schwester war die erste, die ein allerletztes Mal persönlichen Abschied von meiner Oma nahm. Als ich in das Zimmer ging, die Türe hinter mir schloss, mit dieser toten Person, die meiner Oma optisch annäherungsweise glich, alleine war, überkam mich Angst. Ich konnte mich nicht dagegen wehren, fand das meiner Oma gegenüber auch unfair, wollte etwas Liebes sagen, doch ich war so durchdrungen von dieser Angst, dass sie mein Herz beengte und mich zum weiteren Weinen veranlasste. Ich versuchte mich zusammenzureißen, erinnerte mich zwanghaft an Worte, die ich ihr einst im wachen Bewusstsein mitteilte, damals, als mein Herz mir die Worte von ganz alleine auftrug. Ich wollte nicht, dass sie die Angst spürte. Das hatte sie nicht verdient, hätte sie traurig gemacht, weil meine Oma mit Sicherheit die allerletzte Person auf Erden
Wenn ihr Geist, ihre Seele oder wie auch immer man das Verbleibende bezeichnen mag, vorausgesetzt es gibt es, irgendwo noch existieren sollte, hoffe ich, dass es ihr jetzt dort, wo sie ist, besser gehen mag und sie nicht traurig ist, weil sie uns zurückgelassen hat. Ich möchte nur nicht, dass sie sich dort, wo sie ist, alleine fühlt!
Wenn es ihr gut geht, lasse ich sie gerne gehen.
pattyv - am Mittwoch, 17. August 2005, 23:12 - Rubrik: Omas Krebs
Es scheint soweit zu sein. Eben erhielt ich eine SMS von meiner Mutter: „Hallo Patty, kann Dich telefonisch nicht erreichen. Heute Morgen hat das Krankenhaus angerufen. Oma geht es sehr schlecht ... bald Ende, ist auch so, Atemprobleme, alle sind da. LG Mam“
Habe dann in der ganzen Verwandtschaft nähere Infos zu erhalten versucht, doch ich bekam keinen ans Telefon. Das Handy meiner Mutter klingelt ins Leere. Dann traf ich doch meine Schwägerin an, die aber auch nichts Genaues wusste, außer dass meine Schwester heute früh mit dem Krankenhaus telefoniert hat und die Ärztin ihr mitteilte, dass es Komplikationen gegeben hätte, die Nieren hätten bereits versagt, sie habe zudem sehr lange Atemaussetzer. In den nächsten Stunden, spätestens heute Nacht würde sie sterben.
Das ist mein aktueller Stand der Dinge.
Werde jetzt gleich losfahren, ... Fahrtdauer ca. 40 Minuten. Ob sie dann noch lebt? Aber selbst wenn, ... habe Angst vor dem Szenario, das mich vor Ort erwartet.
Habe dann in der ganzen Verwandtschaft nähere Infos zu erhalten versucht, doch ich bekam keinen ans Telefon. Das Handy meiner Mutter klingelt ins Leere. Dann traf ich doch meine Schwägerin an, die aber auch nichts Genaues wusste, außer dass meine Schwester heute früh mit dem Krankenhaus telefoniert hat und die Ärztin ihr mitteilte, dass es Komplikationen gegeben hätte, die Nieren hätten bereits versagt, sie habe zudem sehr lange Atemaussetzer. In den nächsten Stunden, spätestens heute Nacht würde sie sterben.
Das ist mein aktueller Stand der Dinge.
Werde jetzt gleich losfahren, ... Fahrtdauer ca. 40 Minuten. Ob sie dann noch lebt? Aber selbst wenn, ... habe Angst vor dem Szenario, das mich vor Ort erwartet.
pattyv - am Mittwoch, 17. August 2005, 17:47 - Rubrik: Omas Krebs
Was lange währt, wird möglicherweise (?) endlich gut. Heute Morgen hat – nach subjektiv ausgiebigem Warten – endlich auch die Therapeutin zurückgerufen, der ich am Donnerstag auf Band sprach. Wie wir verblieben sind? Haben für nächsten Dienstag, 8 Uhr, einen ersten Kennenlerntermin vereinbart. Bin gespannt, obwohl ich nicht den Mut habe, daraus Zuversicht zu schöpfen, weil ich Angst habe, dass wieder etwas dazwischen kommen könnte. Nicht zwischen das Treffen an sich, aber dass sie mich vielleicht – aus was für Gründen auch immer – ablehnt. Wir werden ja sehen ...
Der Anfang ist zumindest gemacht.
Der Anfang ist zumindest gemacht.
pattyv - am Dienstag, 16. August 2005, 13:41 - Rubrik: Ein neuer Tag
Magensonde oder nicht - das ist eine vieler Fragen, die sich die unmittelbaren Verwandten meiner Oma, ihr Mann, ihre zwei Söhne und meine Mutter, zu stellen haben. Dass diese Frage so viel Unstimmigkeiten aufwirft, dass sich - ob der Entscheidungslosigkeit - selbst das Krankenhauspersonal darüber wundert, finde ich abscheulich.
Fakt ist, meine Oma isst seit einigen Tagen gar nichts mehr, was wohl daran liegt, dass sie so gut wie gar nicht mehr bei Bewusstsein ist. Die Augen sind zumindest immer geschlossen, der Sprache ist sie auch nicht mehr mächtig, wobei wir, die Familie, vermuten, dass sie gelegentlich doch wahrnimmt, dass jemand da ist. Sie wird derzeit mit Medikamenten und Flüssigkeit versorgt, vom Krankenhauspersonal alle zwei Stunden – nach Plan – gewendet. Bedingt durch die fehlende Nahrung nimmt sie natürlich immer weiter ab, was auch die Knochen immer weiter zum Vorschein kommen lässt, so dass das permanente Liegen auf immer weniger Fleisch auch immer schmerzlicher wird. Von meinem Bruder erfuhr ich vorhin, dass die Ärzte meinten, dass eine Magensonde, diese würde zumindest ihr bisheriges Gewicht halten, wenig Sinn macht, da die Metastasen schon so weit in den Magen gestreut hätten, dass sie die zugeführte Nahrung nicht bei sich behalten würde und sie es insofern aus ethischen Gründen ablehnen, um ihr Leid nicht zusätzlich durch Erbrechen zu erschweren. In drei bis vier Wochen wäre sie dann verhungert ...
Mehr Zeit haben ihr die Ärzte aber generell nicht gegeben. Nun haben sie zu entscheiden. Mein einer Onkel ist dafür, meiner Oma eine Magensonde zu verabreichen, damit ihr das Liegen nicht so viel Schmerz bereitet, mein anderer Onkel will die Magensonde nicht, auch weil man meine Oma dann zusätzlich anschnallen müsste, damit sie ruhig liegt, was er seiner Mutter verständlicherweise nicht antun will.
Aber nicht nur das: Der eine Onkel will meine Oma in ein Hospiz (Hospizarbeit ist Sterbebegleitung durch befähigte ehrenamtliche Hospizhelfer, die gemeinsam mit Medizinern, Pflegekräften, Sozialarbeitern und Theologen sterbenskranken Menschen in ihrem letzten Lebensabschnitt zur Seite stehen, wobei die Verwandten jederzeit und so lange sie wollten zu Besuch kommen könnten) geben, der andere Onkel will sie zuhause bei meinem Opa betreuen, sich dafür auch unbezahlten Urlaub nehmen. Beide Onkel, das erfuhr ich zudem von meinem Bruder, erpressen meinen Großvater. Jeder damit, ihn, den 78-jährigen, im tiefsten Leid stehenden Mann, der gerade selbst damit zu tun hat, seine Frau, mit der er 50 Jahre verheiratet war, zu verlieren, in Zukunft alleine zu lassen, wenn deren Wunsch – Pflege zuhause oder im Hospiz - nicht durchgesetzt wird. Ehrlich gesagt fehlen mir die Worte. Wenn das meine Oma, die immer darum bedacht war, dass alle MITEINANDER und nicht gegeneinander agieren, dass Harmonie und nicht Missklang Raum im Leben aller Beteiligen Platz findet, wüsste, würde sie aus Rücksichtnahme wahrscheinlich gleich sterben, das aber zutiefst betroffen.
Die Differenzen gehen aber noch weiter. Geld lautet das Thema, was die Gemüter zusätzlich entfacht. 1500 Euro müssten die oben genannten Beteiligten (Opa, beide Onkel und meine Mutter) zusätzlich monatlich bezahlen, um meine Oma im Hospiz unterzubringen. Ich will da jetzt aber nicht ins Detail gehen ...
Meine Geschwister und ich haben in diesem Belang aber nicht viel mitzureden, sind erst das nächste Glied in der Verwandtschaftskette und sind deshalb gezwungen, uns dieses familiäre Leiden mitanzusehen, obgleich wir nach allen Seiten schlichtend einzuwirken versuchen.
Fakt ist, meine Oma isst seit einigen Tagen gar nichts mehr, was wohl daran liegt, dass sie so gut wie gar nicht mehr bei Bewusstsein ist. Die Augen sind zumindest immer geschlossen, der Sprache ist sie auch nicht mehr mächtig, wobei wir, die Familie, vermuten, dass sie gelegentlich doch wahrnimmt, dass jemand da ist. Sie wird derzeit mit Medikamenten und Flüssigkeit versorgt, vom Krankenhauspersonal alle zwei Stunden – nach Plan – gewendet. Bedingt durch die fehlende Nahrung nimmt sie natürlich immer weiter ab, was auch die Knochen immer weiter zum Vorschein kommen lässt, so dass das permanente Liegen auf immer weniger Fleisch auch immer schmerzlicher wird. Von meinem Bruder erfuhr ich vorhin, dass die Ärzte meinten, dass eine Magensonde, diese würde zumindest ihr bisheriges Gewicht halten, wenig Sinn macht, da die Metastasen schon so weit in den Magen gestreut hätten, dass sie die zugeführte Nahrung nicht bei sich behalten würde und sie es insofern aus ethischen Gründen ablehnen, um ihr Leid nicht zusätzlich durch Erbrechen zu erschweren. In drei bis vier Wochen wäre sie dann verhungert ...
Mehr Zeit haben ihr die Ärzte aber generell nicht gegeben. Nun haben sie zu entscheiden. Mein einer Onkel ist dafür, meiner Oma eine Magensonde zu verabreichen, damit ihr das Liegen nicht so viel Schmerz bereitet, mein anderer Onkel will die Magensonde nicht, auch weil man meine Oma dann zusätzlich anschnallen müsste, damit sie ruhig liegt, was er seiner Mutter verständlicherweise nicht antun will.
Aber nicht nur das: Der eine Onkel will meine Oma in ein Hospiz (Hospizarbeit ist Sterbebegleitung durch befähigte ehrenamtliche Hospizhelfer, die gemeinsam mit Medizinern, Pflegekräften, Sozialarbeitern und Theologen sterbenskranken Menschen in ihrem letzten Lebensabschnitt zur Seite stehen, wobei die Verwandten jederzeit und so lange sie wollten zu Besuch kommen könnten) geben, der andere Onkel will sie zuhause bei meinem Opa betreuen, sich dafür auch unbezahlten Urlaub nehmen. Beide Onkel, das erfuhr ich zudem von meinem Bruder, erpressen meinen Großvater. Jeder damit, ihn, den 78-jährigen, im tiefsten Leid stehenden Mann, der gerade selbst damit zu tun hat, seine Frau, mit der er 50 Jahre verheiratet war, zu verlieren, in Zukunft alleine zu lassen, wenn deren Wunsch – Pflege zuhause oder im Hospiz - nicht durchgesetzt wird. Ehrlich gesagt fehlen mir die Worte. Wenn das meine Oma, die immer darum bedacht war, dass alle MITEINANDER und nicht gegeneinander agieren, dass Harmonie und nicht Missklang Raum im Leben aller Beteiligen Platz findet, wüsste, würde sie aus Rücksichtnahme wahrscheinlich gleich sterben, das aber zutiefst betroffen.
Die Differenzen gehen aber noch weiter. Geld lautet das Thema, was die Gemüter zusätzlich entfacht. 1500 Euro müssten die oben genannten Beteiligten (Opa, beide Onkel und meine Mutter) zusätzlich monatlich bezahlen, um meine Oma im Hospiz unterzubringen. Ich will da jetzt aber nicht ins Detail gehen ...
Meine Geschwister und ich haben in diesem Belang aber nicht viel mitzureden, sind erst das nächste Glied in der Verwandtschaftskette und sind deshalb gezwungen, uns dieses familiäre Leiden mitanzusehen, obgleich wir nach allen Seiten schlichtend einzuwirken versuchen.
pattyv - am Montag, 15. August 2005, 20:43 - Rubrik: Omas Krebs